Am 30. März 2025 ist der erste Testflug der Rakete des deutschen Startups Isar Aerospace von einem Startplatz in Norwegen nach 30 Sekunden Flug gescheitert. Die Rakete explodierte beim Absturz im Meer. Aber die Ingenieure von Isar Aerospace sind trotzdem zufrieden.
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Worum geht es?
Isar Aerospace ist ein deutsches Startup, welches mit einer zweistufigen Spectrum-Rakete die Erdumlaufbahn erreichen will. Die zweistufige Spektrum-Rakete hat 2 Meter Durchmesser und kann kleine Nutzlasten (700 bis 1000 Kilogramm) in den nahen Erdobit bringen.
Spectrum-Rakete von Isar Aerospace, Quelle: Isar Aerospace
Isar Aerospace starte seine Raketen vom Andøya Spaceport in Norwegen. Ich hatte einige Information vor kurzem im Beitrag Isar Aerospace: Klappt heute der erste Testflug? gegeben. Der anberaumte 1. Testflug war seinerzeit wegen ungünstiger Winde verschoben worden. Dass die Rakete erfolgreich die Umlaufbahn erreicht, galt als ausgeschlossen – eine Explosion sogar sehr wahrscheinlich.
Erster Teststart nach 30 Sekunden gescheitert
Am 30. März 2025 war es dann doch so weit, am Sonntag hob die zweistufige Spectrum-Rakete bilderbuchmäßig vom Starttisch ab und stieg in die Höhe. Aber nach einigen hundert Metern Höhe lief etwas schief, denn die Rakete drehte sich zur Seite, verließ die stabile Fluglage und stürzte ins nahe Meer. Dort zerschellte die vollgetankte Rakete in einer großen Explosion.
Isar Aerospace: 1. Testflug der Spectrum-Rakete
Das Unternehmen Isar Aerospace hat den ersten Testflug der Spectrum-Rakete live per Internet übertragen (die Kurzversion von unter 2 Minuten Dauer ist auf YouTube abrufbar, ein kommentierter Stream von über 2 Std. Dauer findet sich auf YouTube). Einfach obiges Bild anklicken, um den kommentierten Stream erneut auf YouTube abzuspielen. Ab Timecode 1:28:00 sind die Bilder des Starts zu sehen, und man erkennt, wie die Triebwerke der ersten Stufe zünden, um die Trägerrakete perfekt vom Starttisch hoch zu bringen.
Bei solchen Bildern blicke ich immer ganz fasziniert auf den Bildschirm, und meine Gedanken gehen zurück in die siebziger Jahre. Mir sind noch die Bilder aus den sechziger und siebziger Jahren im Gedächtnis, als viele Raketen noch auf dem Starttisch oder sofort danach explodierten. Auch die Starts der Europa-Rakete vom australischen Woomera liefen oft nach dem Muster ab und endeten als Fehlschläge. Ähnliches kennen wir von den letzten Teststarts des SpaceX Starship. In der Raumfahrt musst Du testen und schauen, ob Du Daten bekommst, aus denen zu erkennen ist, was schief gegangen ist.
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Ich erinnere mich auch an meine Vorlesung zu den Grundlagen der Regelungstechnik im Ingenieurstudium. Dort ging es darum, die Regelung technischer Prozesse zu verstehen und mit Reglern zu beherrschen. Die Steuerung einer Rakete über deren Triebwerke beim Start ist ein kniffeliges reglungstechnisches Problem. Quasi ein Besenstiel auf einer Fingerkuppe balancieren und dann in die Höhe bewegen. Jede Neigung der Rakete muss durch Triebwerksschwenks kompensiert werden. Geht dies schief, gerät die Rakete aus der Bahn und zerbricht, bzw. stürzt ab. Ein Startabbruch-System sollte die Rakete dann zerstören.
Im Video sieht man, dass kurz nach dem Start etwas passiert – die Triebwerke schwenken sehr stark, um die Fluglage zu korrigieren und die Kondensatwolken der Ablass-Ventile an der Seite der Rakete werden zur Seite geweht. Vielleicht herrschte zu viel Wind.
Da ist schon klar, dass die Kontrolle der Fluglage verloren gegangen ist und der Start fehl schlägt. In der Tonspur hört man den Kommentator "da ist was passiert … da scheint was abgefallen … das geht schief". Kurz danach dreht sich die Rakete bereits aus der stabilen Fluglage – und dann werden die Triebwerke der ersten Stufe durch das Startabbruch-System abgeschaltet. Es sind zwar noch kleine Flammen zu sehen, die aber durch Resttreibstoffe hervorgerufen werden. Die Treibstoffpumpen sind abgeschaltet und fördern keinen Treibstoff mehr. Einen Sprengmechanismus hat man wohl nicht ausgelöst, oder es gab diesen beim Testexemplar nicht. Die Struktur der Rakete hält die gravierende Änderung der Fluglage jedenfalls aus. Die vollgetankte Rakete fällt zurück ins nahe Meer, wo es eine riesige Explosion der Treibstofftanks gibt.
Der Vorstandsvorsitzende von Isar Aerospace sprach in einem Interview von einem vollen Erfolg, da man viele Daten empfangen habe. Die haben vor dem Start mit einem Scheitern gerechnet und bereits 30 Sekunden vor einer Explosion als Erfolg bezeichnet. Die Daten werden nun analysiert – schließlich arbeiteten erstmals alle Komponenten der Rakete zusammen. Man wird Schlussfolgerungen ziehen und in die bereits im Bau befindlichen Testmuster 2 und 3 einzuarbeiten. Wann der nächste Start ansteht, ist derzeit offen. Einige Infos zum gestrigen Start finden sich auch hier. Eine erste Analyse von Ex-Astronaut Ulrich Walther, mittlerweile Professor, findet sich hier. Er tippt auf ein Software-Problem und analysiert auch die Rolle von Isar Aerospace.
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