Die 50er Jahre: Als Kinder noch mit "Atom" spielen sollten

Es ist unglaublich, in den Jahren 1950 und 1951 gab es einen "Experimentierkasten" für Kinder, mit dem die Sprösslinge mit Nuklearmaterial "spielen und experimentieren" durften.


Anzeige

Irre 60er-Jahre: Eigene Erinnerungen

Bei den Stichwörtern Strahlen und Atomtechnik fallen mir sofort zwei Episoden ein. In den sechziger Jahren gab es noch den Quelle Katalog, den ich als interessierter Jugendlicher durchblätterte. Mich interessierten zwei Sachen: Bücher und Spielzeuge in Richtung "Experimentierbaukästen". Ich hatte einen Trix-Metallbaukasten und später einen Philipps Elektronik-Baukasten (siehe Vor 75 Jahren: Der Transistor wurde vorgestellt). Bei einem dieser Katalog-Ausflüge muss mir ein Jugendbuch der Machart "wie funktioniert was?" ins Auge gestochen sein. Jedenfalls ging es dort um den technischen Fortschritt. Zwei Sachen sind mir in Erinnerung geblieben, weil dort jeweils eine tolle Zeichnung zu sehen war.

  • In 20 Jahren wären die Menschen so weit, dass sie nur noch eine Pille zu schlucken brauchten, um sich zu ernähren. Der Darm sei so weit durch technische Geräte ersetzt worden, dass alles, was man gegessen habe, immer wieder aufbereitet und in den Körper zurückgeleitet werde – man brauche keine Nahrung mehr. Einfach hirnrissig, so eine Vorstellung.
  • Und es hieß, in 20 Jahren würden wir alle Atom-Autos fahren, sprich: Statt eines Motors war ein Atomreaktor als Antrieb im PKW eingebaut. Abgebildet war ein Ami-Schlitten – und es wurde assoziiert, dass man als Autofahrer nie mehr tanken müsse. War noch hirnrissiger, was sich die Autoren dort ausgedacht hatten.

Aber Kindern kann man das so irgendwie vorsetzen. Später hat Victor von Bülow das als Loriot im Film "Weihnachten bei Hoppenstedts" umgesetzt. Das Kind bekam ein "kleines Atomkraftwerk" als Weihnachtsgeschenk.

Und in der zweiten Hälfte meines Ingenieurstudiums der Physikalischen Technik hatte ich auch sehr viel mit Strahlenschutz und Kerntechnik zu tun (viele Vorlesungen wurden auch für die Kerntechniker des Nachbar-Fachbereichsabgehalten). Ein Dozent erzählte uns, dass in den 20er Jahren noch Röntgenstrahlen beim "Schuhe anprobieren für Kinder" eingesetzt worden seien. Man stellte den Kinderfuß im Schuh auf eine floureszierende Platte und durchleuchtete das Ganze mit Röntgenstrahlung. So sahen Eltern und Verkäufer/in, ob der Schuh passte. Das Ganze lässt sich unter dem Stichwort Pedoskop auf Wikipedia nachlesen – ist also nicht geflunkert.

Die irren 50er Jahre: Atombaukasten

Aber so richtig irre muss es wohl in den 50er Jahren in den USA zugegangen sein. Ich konnte es kaum glauben, also ich nachfolgenden Tweet sah, bis mir die obigen Episoden wieder einfielen.

Atombaukasten für Kinder
In den Jahren 1950-1951 vertrieb die A. C. Gilbert Company das Gilbert U-238 Atomic Energy Lab, einen Spielzeugbausatz, mit dem Kinder zu Hause Kernreaktionen mit echtem radioaktivem Material durchführen konnten. Er wurde 1951 aus den Regalen genommen. Mehr Details finden sich in der englischsprachigen Wikipedia, sowie in einem deutschen Beitrag des Deutschen Museums. Waren da eigentlich nur Irre unterwegs? Oder hat man damals den Verstand mit dem Hut an der Garderobe abgegeben?


Anzeige

Dieser Beitrag wurde unter Gesundheit, Sicherheit, Technik abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Die 50er Jahre: Als Kinder noch mit "Atom" spielen sollten

  1. Michael sagt:

    Das mit den "Röntgenstrahlen beim Schuhe-Anprobieren für Kinder" habe ich selbst Anfang bis Mitte der 1950er Jahre (noch) erlebt:

    https://www.mta-r.de/blog/das-pedoskop/

  2. chw9999 sagt:

    Ich habe noch einen alten Ionisations-Rauchmelder mit Americum herumfliegen, damit wollte ich auch schon immer mal eine Nebelkammer befeuern… meinen kleinen Kindern würde ich den aber nicht zum Spielen geben ;)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert