In Teil 1 der Beitragsreihe hatte ich ja über Vorhofflimmern, eine spezielle Form der Herzrhythmusstörung, berichtet. Diese betrifft vor allem ältere Menschen, das Herz kommt aus dem Takt, was sehr belastend sein kann. Unerkanntes und dadurch unbehandeltes Vorhofflimmern ist eine Hauptursache für Schlaganfälle. Daher geht es in diesem Beitrag darum, was ich als älterer Patient selbst tun kann und wie ich VHF eventuell selbst feststelle, um frühzeitig einen Arzt aufzusuchen.
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In Teil 1 hatte ich ja geschrieben, dass in Deutschland ca. 1,8 bis zwei Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen sein sollen (Quelle). Ursachen gibt es viele: Bluthochdruck, zu viel Alkohol, Übergewicht, Diabetes, ungesunder Lebensstil, verstopfte Herzkranzgefäße und mehr.
In Teil 1 habe ich auch die Risiken eines unerkannten/unbehandelten Vorhofflimmerns beschrieben. 40.000 – 50.000 Schlaganfälle auf Grund von Vorhofflimmern sind einfach 40.000 – 50.000 Fälle zu viel! Speziell die Personen, die ein Vorhofflimmern nicht bemerken, liegen mir am Herzen.
Von daher sollten Personen spätestens ab 60 – 65 Jahren – und besonders mit Bluthochdruck oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Cholesterin, Übergewicht etc. darauf achten, diese Herzrhythmusstörung selbst zu erkennen. Und man sollte über die Erkrankung informiert sein.
Was kann/sollte ich selbst tun?
Im Rahmen der eigenen Betroffenheit habe ich mich mit dieser Thematik auseinander gesetzt. Aus diesem Blickwinkel habe ich zwei Empfehlungen an die Leserschaft.
Informieren, informieren, informieren!
Meine persönliche Ersterkenntnis in der Geschichte ist: "Wärest Du informiert gewesen, hättest Du die Symptome vermutlich direkt korrekt gedeutet und hättest noch früher den Arzt aufgesucht".
Zweite Erkenntnis trifft sich mit der ersten Erkenntnis: "Wärest Du informiert gewesen, wäre das Gespräch mit der Kardiologin nach der Diagnose anders verlaufen". So saß ich 15 Minuten nach der EKG-Diagnose Vorhofflimmern in der Sprechstunde einer Kardiologin, die das Thema erläuterte.
Dazu muss man wissen, dass die Ärzte nach Leitlinien vorgehen und dann den Patienten ggf. fragen, welche Behandlungen er möchte. So als kurzer Abriss, was auf mich einprasselte:
- Vorhofflimmern ist nicht tödlich, kann man lange mit leben, ist aber der Lebensqualität abträglich (das wusste ich selbst, mir ging's Schei***).
- Sie bekommen jetzt einen Blutverdünner gegen das Schlaganfallrisiko, da sie einen entsprechenden Score haben. Ok, ich habe einen Schufa-Score, den ich nicht kenne, und ich habe einen weiteren "irgendwas mit dem Herzen"-Score, den ich auch nicht kenne.
- Sie bekommen einen Beta-Blocker, um die Herzfrequenz zu senken (hat Null gebracht, nix, nada, Tabletten gefressen und auf Godot gewartet, der nicht kam).
- Wir machen einen Termin für einen Herzkatheter, um herauszufinden, ob die Herzkranzgefäße zu sind – ist oft die Ursache (da gibt es ein Daumen hoch für).
- Wir können danach zur Behandlung eine elektrische Kardioversion, oder eine Lungenvenen-Kathetherablation durchführen. Welche Behandlung möchten Sie? Vielleicht wäre es im ersten Schritt besser, die nicht invasive elektrische Kardioversion zu versuchen. Dumm gelaufen, da bin ich auf's Eis geraten
Die Fragen und Entscheidungen rauschten nur so an mir vorbei – ich war nicht vorbereitet. Zur Frage der Behandlung habe ich nur mit einer Gegenfrage "wie ist die Erfolgsrate und wo sind die Risiken am geringsten" reagiert. Denn wenn Du beim Arzt sitzt und der am Schreibtisch drei Bögen mit Patienteninformation zu Herzkatheter, elektrische Kardioversion, und Lungenvenen-Kathetherablation vorlegt, wo auf zwei Seiten nur Risiken wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Embolie, Herzstillstand beim Eingriff auftauchen, bist du unvorbereitet "ziemlich aufgeschmissen".
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Erst Zuhause habe ich mich umfassend informiert und war nach einigen Stunden auf dem Punkt "mit dem Wissen wäre das Erstgespräch bei der Kardiologin anders gelaufen". Und als die Hausärztin später noch meinte "ich will ihren Optimismus nicht bremsen, aber die und die Behandlung hilft i.d.R. nicht", hätte ich sie am liebsten auf den Mond geschossen – brauche ich als Patient definitiv nicht. Die in den Wochen nach der Erstdiagnose folgenden Gespräche mit Kardiologen haben mich in der Einschätzung bestätigt.
Daher hier einige Handreichungen für die Leserschaft und etwas entwirrt, was mich in obigen Punkten gedanklich umgetrieben hat.
- Die Kardiologen gehen gemäß den ärztlichen Leitlinien in der Diagnose und Behandlung vor. Ein guter Einstieg ist die Leitlinie Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern (Version 2020) der Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Eine geraffte Darstellung (für Ärzte) findet sich hier, ist mit meinem heutigen Wissen als Patient aber einzuordnen. In diesem Kontext hat die junge Kardiologin, der ich nach der Diagnose gegenüber saß, alles richtig gemacht. Aber ich als Patient konnte keine optimalen Entscheidungen treffen (sonst hätte es nicht 4 Monate gedauert, sondern wäre nach 2 Monaten behandelt gewesen).
- Oben hatte ich von einem "Score" berichtet, nach dem über die Gabe von Blutverdünnern entschieden wird. Ist kein Hexenwerk – das Ganze nennt sich CHA2DS2-VASC-Score und lässt sich über diese Internetseite auch von Patienten berechnen. Es sind nur einige Fragen zu beantworten und dann wird der Wert angezeigt. Mit einem Alter von über 65 und behandelter und eingestellter Bluthochdruck habe ich einen CHA2DS2-VASC-Score von 2, also ein mittleres Schlaganfall-Risiko und bekomme nun lebenslang einen Blutverdünner. Moderne Medikamente haben nicht mehr die Notwendigkeit, wie bei der früheren Makumar-Behandlung, dass man regelmäßig zum "Quicktest" zum Hausarzt muss.
Hier bin ich nun informiert und kann die Entscheidungen der Ärzte nachvollziehen, wobei ich diesen natürlich die Wahl der Therapie bzw. der Behandlung überlasse – das sind die Profis. Aber ein informierter Patient kann da anders agieren und reagieren und ggf. direkt die richtigen Schritte mit den Ärzten absprechen. Doch dazu in weiteren Beiträgen mehr an Erkenntnissen. Im ersten Artikel hatte ich ja auch Seiten genannt, wo man sich gut informieren kann.
Selbst feststellen, ob man betroffen ist!
Bereits im Gespräch mit der Kardiologin kam sofort nach der Diagnose der Hinweis "Es gibt moderne Blutdruckmessgeräte, die Vorhofflimmern erkennen". Wer sich ein solches Gerät zulegt oder besitzt, kann also durchaus einen sporadischen Selbstcheck durchführen.
Ansonsten kann man bei der (regelmäßigen) Blutdruckmessung auf den Puls achten. Ich kennen meinen Ruhepuls, der in der Regel zwischen 54 und 64 Schlägen pro Minute liegt (je nachdem, wieviel Sport ich vorher gemacht habe). Ich hatte plötzlich 80-85 Puls. Oft haben VHF-Betroffene einen Ruhepuls von weit über Hundert, weil das Herz durch die Störung Extraschläge über den Vorhof versucht.
Pulsmessungen sind ein erster Schritt, aber es geht noch genauer. Wer eine moderne Smartwatch beispielsweise von der Firma Apple oder von anderen Herstellern besitzt, hat bereits die Möglichkeit, ein sogenanntes Einkanal-EKG mit der Uhr durchzuführen. Es reicht einen Finger auf den Sensor der Smartwatch zu legen, um die Herzschläge als EKG abzuleiten und aufzuzeichnen.
Details wird der Hersteller der Smartwatch verraten. Diese Überwachungsmöglichkeit hat vor allem den Vorteil, wenn das Vorhofflimmern nur sehr selten auftritt und beim Arzt nicht nachgewiesen werden kann. Die von der Smartwatch aufgezeichneten Signale lassen sich vom Arzt ggf. auswerten – hier hilft das Gespräch mit dem Doktor.
Bei meinen Recherchen zum Thema, also ich bereits wusste, dass ich an Vorhofflimmern (VHF) litt, stellte sich mir die Frage: "Was machst Du, wenn eine Behandlung durch eine elektrische Kardioversion stattgefunden hat, um einen Rückfall in VHF selbst zu erkennen"?
Blutdruckmessgerät und Smartwatch hatte ich als Diagnosemöglichkeit für Betroffene genannt. Wird nicht jeder nutzen wollen und ich verfüge ebenfalls nicht über diese Geräte – und wollte diese auch nicht anschaffen (speziell moderne Blutdruckmessgeräte sind mit der Fokussierung auf Smartphone-Apps der absolute Overkill – brauch ich nicht, will ich nicht – und eine Smartwatch möchte ich auch nicht – ich bin seit Jahrzehnten ohne Armbanduhr, aber Smartphone in der Tasche unterwegs).
Bei meinen Recherchen bin ich dann auf die Möglichkeit gestoßen, ein Smartphone als Hilfsmittel zur Erkennung des Vorhofflimmerns zu verwenden. Vom Hersteller AliveCore gibt es das KardiaMobile EKG – eine kleine Messeinrichtung (kostet unter 200 Euro) und ermöglicht eine Auswertung über Smartphone. Ist aber vielleicht der Overkill.
Bei meinen Recherchen bin ich dann auf zwei Apps für mein Android-Smartphone gestoßen, die eine einfache Überwachung auf Vorhofflimmern versprachen:
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Preventicus Heartbeats, eine kostenpflichtige App, die Vorhofflimmern durch Messen des Puls an der Fingerkuppe mit der Smartphone-Kamera erkennen kann.
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CardioSignal, eine kostenpflichtige App, die Vorhofflimmern durch Auflegen eines Smartphones auf die Brust erkennen soll.
Es gibt noch einige Apps zur Pulsmessung per Fingerkuppe mit der Smartphone-Kamera. Für eine erste Näherung, ob der Puls schwankt und zu hoch ist, ok. Aber die Preventicus Heartbeats-App versprach mehr. Ich habe die App heruntergeladen – nach Registrierung lässt sich die App 14 Tage im Testbetrieb mit allen Funktionen benutzen.
Der obige Screenshot der App zeigt bereits den Ansatz. Einfach auf "Messung" tippen, die Fingerkuppe gemäß Anleitung auf die Smartphone-Kamera legen und die Anweisungen befolgen. Die App meldet, wenn kein Signal erkannt wird und zeigt auch an, wenn gemessen wird. Ist manchmal zwar etwas nervig, wenn die Messung über eine Minute anläuft, etwas anzeigt und nach 45 Sekunden mit "kein Signal" abbricht. Aber ich habe im 14-tägigen-Testbetrieb genügend Messungen zusammen bekommen.
Obiger Screenshot zeigt ein solches Ergebnis einer Messung, zu einem Zeitpunkt, als ich meine Diagnose bereits hatte, mit Medikamenten behandelt wurde (daher der Puls von 73), aber noch Vorhofflimmern hatte. Die App teilte mir mit, dass ich hochgradige Herzrhythmusstörungen habe – das wäre dann der Zeitpunkt für den Patienten, der das erstmals erfährt, einen Arzt zur Abklärung aufzusuchen.
Die App zeigt auch eine Analyse des Herzrhythmus über den Messzeitraum an. Obiges Bild signalisiert bei einer meiner Messungen, dass mein Herz gravierende Probleme hatte – aber das wusste ich.
Insgesamt erscheint mit die Preventicus Heartbeats-App eine einfache Lösung, um bei Verdacht auf Vorhofflimmern mal selbst zu messen. Ich hatte diese Lösung für mich eigentlich für den Zeitraum nach einer elektrischen Kardioversion eingeplant, um ein Rezidiv selbst feststellen zu können. Allerdings läuft der Testzeitraum der App nach 14 Tage ab und man kann nur noch eingeschränkte Messungen/Auswertungen nutzen. Es gibt aber die Möglichkeit eines Monatsabonnements – und mache Krankenkassen zahlen diese App. Die zweite App habe ich nicht mehr getestet, da kein Bedarf.
Unter dem Blickwinkel, selbst bei entsprechendem Risiko auf Vorhofflimmern kann man als Patient also einiges tun und über Messungen ggf. Rhythmusstörungen bestätigen. Dann sollte man zeitnah einen Arzt aufsuchen, um das Ganze abklären zu lassen. In weiteren Artikeln möchte ich noch auf Behandlungsmöglichkeiten eingehen – hab mir unfreiwillig "alles gegönnt", was möglich ist.
Anmerkung: Das ist natürlich keine medizinische Beratung, man sollte diesbezüglich einen Arzt aufsuchen. Aber der Beitrag gibt Hinweise, auf was man achten kann und selbst tun sollte.
Artikelreihe:
Risiko Vorhofflimmern, Herzschwäche und Schlaganfall droht
Risiko Vorhofflimmern: Was kann und sollte ich selbst tun?
Im Herzkatheter-Labor: Inneneinsichten eines Betroffenen
Vorhofflimmern: Ich gönne mir eine elektrische Kardioversion …
Vorhofflimmern: Die chemische Kardioversion, ob's hilft?
Vorhofflimmern: Die Katheter-Ablation steht an
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Lieber Günther,
ganz herzlichen Dank für deine Informationen.
Da ich (Jahrgang1955) mich aktuell auch mit diesem Thema befassen muss, sind mir deine Recherchen sehr hilfreich und ich warte schon auf weitere Artikel zum Thema.
Ich hoffe der Eingriff bei dir war erfolgreich und du fühlst dich wieder besser.
Viele Grüße aus dem Schwabenland
Volker