Risko: Schwere Unfälle per Elektrotretroller (E-Scooter)

Elektrotretroller (eScooter) sind ja seit Juni 2019 in Deutschland zulässig und auch in Gebrauch. Könnte eine coole Sache sein, wenn nicht die vielen, teilweise schweren Unfälle mit diesen Fahrzeugen wären. Kürzlich bin ich auf Facebook auf einen Post gestoßen, wo jemand jubelnd bekannt gab, dass die 75 jährige Mutter auch so ein Fahrzeug haben wollte. Und die Nutzerschaft fand es obercool, wie auch Ältere noch mit den Fahrzeugen umgehen. War der Anstoß für mich, mal wieder einen Blog-Beitrag zu diesem Thema zu machen.


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Vorab: Ich gönne jedem Menschen die Fahrt mit einem Elektrotretroller – solange er nicht andere gefährdet oder mit seinen Handlungen die Allgemeinheit in Beschlag nimmt. Leih-eScooter, die überall im Weg herum liegen, und eine Sturzgefahr darstellen, gehen aus diesem Blickwinkel gar nicht. Besoffene eScooter-Fahrer und -Fahrerinnen, die dann mangels Unwissen bei Kontrollen den Führerschein verlieren, verdienen ebenfalls kein Mitleid. Und die Klientel, die in den Facebook-Gruppen mit "eh, wie mache ich meinen Roller schneller als 20 km/h" sei eine Kontrolle an den Hals gewünscht. Es ist das fehlende Hirn, was die Elektrotretroller in Verruf bringt. Von daher ist bei mir auch sofort eine rote Lampe im Kopf angegangen, als ich den folgenden Text las:

eScooter für 75 jährige Mutter

Es ist irgendwie naheliegend, dass das von der betreffenden Person Begeisterung mitschwingt, aber mir kommt das Ganze in höchstem Maße blauäugig vor. Selbstverständlich kann und darf jeder, selbst bis ins hohe Alter, über seinen Körper und das, was er damit macht, selbst entscheiden. Aber Hand auf's Herz: Elektrotretroller sind von der Fahrphysik schon eine Herausforderung und verzeihen keine Fahrfehler. Wenn ein Fahrrad vielleicht noch eine etwas größere Bewegung des Lenkers durch die größeren Räder und deren Trägheitsmoment toleriert, gehen starke Lenkereinschläge, Bodenunebenheiten oder Spurrinnen bei E-Scooter sofort ins Risiko. Schwere Stürze sind vorprogrammiert. Helm ist oft keiner dabei, so dass die Unfallchirurgen dann die Folgen mühsam wieder zusammen klauben dürfen.

Was mir dann auch noch im Kopf herum geht: Es kann jemand noch so umsichtig fahren, eine genommene Vorfahrt, ein Zusammenstoß mit einem Radfahrer oder einem eScooter im Gegenverkehr reicht. Das "er hatte keine Schuld" hilft dann leider nicht. Hinzu kommt, zumindest nach meiner Beobachtung, speziell beim Sport, dass in der Gruppe der über 65 Jährigen die Fitness, Reaktionsfähigkeit und Beweglichkeit deutlich abnimmt. Aus dem Bereich der Pedelecs ist bekannt, dass Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten eine der größten Unfallrisiken darstellt.

E-Tretroller zur Ausleihe
(eScooter, Symbolbild, Quelle: Pexels, Magda Ehlers, freie Nutzung)

Dem steht leider die fehlende Selbsteinschätzung bezüglich des Risikos entgegen. Elektrotretroller werden häufig als Kinderspielzeuge wahrgenommen, die einen Fun-Faktor haben. Wenn jemand so ein Fahrzeug zur Überbrückung des letzten Kilometers auf dem Weg zur Arbeit verwendet, ist ja noch eine Notwendigkeit einzusehen. Sofern aber jemand für 5 Minuten Spaß auf so einem Ding nach einem Unfall mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder schwersten Verletzungen in die Klinik kommt, ist der Jammer und die Betroffenheit groß. Ich glaube, dass niemand sagt "die fünf Minuten Spaß sind es mir wert, selbst auf die Gefahr hin, die nächsten 20 Jahre bis zum Tod im Rollstuhl zu sitzen".

eScooter-Unfälle der letzten Tage

Die obige Zeilen ließen sich so interpretieren "da gönnt einer älteren Menschen nicht den Spaß" – in der Facebook-Gruppe haben sich dann auch einige 50+ Jährige geoutet "ich fahre auch mit dem Ding". Steht ja nichts entgegen – dann aber darauf schließen, dass das auch wesentlich Ältere tun sollten und das nix passiert, halte ich für abenteuerlich. Aus Risiko-Gesichtspunkten halte ich die Verwendung eines eScooters für die Zielgruppe für unverantwortlich. Die letzten Tage sind mir erneut einige Unfallmeldungen in dieser Richtung über Pressemitteilungen der Polizei unter die Augen gekommen.

  • Am Dienstag (24. August 2021) stürzte ein 44-Jähriger in der Kölner Innenstadt mit seinem E-Scooter ohne Fremdeinwirkung auf dem stadteinwärts führenden Radweg der Amsterdamer Straße. Rettungskräfte fuhren den Kölner mit einem Oberarmbruch in ein Krankenhaus. Warum der Mann stürzte, ermittelt das Verkehrskommissariat.
  • Bei einem Unfall an der Schwieberdinger Straße in Stuttgart hat am Samstagvormittag (21.08.2021) ein 32 Jahre alter E-Scooter-Fahrer schwere Verletzungen erlitten. Eine 44 Jahre alte Smart-Fahrerin wollte gegen 11.50 Uhr von der Bessemer Straße auf die Schwieberdinger Straße auffahren, als der 32-Jährige mit dem E-Scooter verbotswidrig auf dem Gehweg fuhr. Dabei kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Smart und dem E-Scooter. Rettungskräfte versorgten den schwerverletzten 32-Jährigen und brachten ihn zur weiteren medizinischen Behandlung in ein Krankenhaus.
  • Ein 55-Jähriger ist am 11.08.21, 23.50 Uhr kurz vor Mitternacht auf dem Brander Marktplatz in Aachen mit einem E-Scooter gestürzt und hat sich dabei schwere Verletzungen zugezogen. Nach Angaben der behandelnden Ärzte kann eine Lebensgefahr derzeit nicht ausgeschlossen werden.
  • Am 22. August 2021 ist ein 45-Jähriger bei einem Unfall auf einem E-Scooter in Bebra-Asmushausen (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) lebensgefährlich verletzt worden. Laut Polizei ist der Mann von der abschüssigen Straße abgekommen und gegen eine Steinmauer geprallt. Der Mann wurde per Rettungshubschrauber in ein Klinikum gebracht. Außerdem wurde eine Blutentnahme angeordnet.
  • Bereits am 12. Juli 2021 ist bei einem E-Scooter-Unfall in Wiesbaden eine 12-Jährige schwer verletzt worden. Zwei zwölf Jahre alte Mädchen fuhren auf einem Gehweg unerlaubterweise zu zweit auf dem Mietroller, als die Fahrerin plötzlich das Gleichgewicht verlor und gegen einen Straßenpoller fuhr, so die Polizei. Die Fahrerin fiel auf den Kopf und verlor vorübergehend das Bewusstsein. Rettungskräfte brachten die Schwerverletzte ins Krankenhaus. Sie befindet sich laut Polizei nicht in Lebensgefahr. Da Elektrotretroller frühestens ab 14 Jahren gefahren werden können, und die Vermieter von E-Scootern sogar ein Alter von 18 Jahren vorschreiben, wird jetzt auch der Frage nachgegangen, wie die Kinder an das Fahrzeug kamen.

Die Süddeutsche berichtet hier von insgesamt 216 Unfällen mit E-Scootern in Niedersachsen in 2020, bei denen es 27 Schwer- und 200 Leichtverletzte gab. Und hier meldet die Zeit 145 Unfälle mit E-Scootern in 2020 in Hessen, bei denen 29 Menschen schwer und 130 leicht verletzt wurden. Die Unfallstatistik 2020 nennt 7 Tote (Unfallstatistik 2020: eScooter als Risikofaktor). Angesichts dieser Meldungen würde ich mir als älterer Mensch zwei Mal überlegen, ob ich der Coolness wegen auf ein solches Gefährt steige.

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