Mit steigendem Alter verordnen Ärzte den Menschen häufig mehrere Medikamente. Der Barmer Arzneimittelreport 2018 zeigt, dass jeder fünfte Patient oft Arzneimittel erhält, die für ihn ungeeignet sind, weil sie sich gegenseitig nicht vertragen.
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Bei der Einnahme von Medikamenten verträgt sich nicht jeder Mix. Laut Presseinformation hat jeder fünfte Bundesbürger im Jahr 2016 fünf oder mehr Arzneimittel eingenommen. Je mehr Medikamente eine Patientin oder ein Patient einnimmt, desto unsicherer wird, laut BARMER, jedoch die Arzneimitteltherapie aufgrund der zu erwartenden Wechselwirkungen. Dass es vermeidbare Risiken gibt, belegt der BARMER-Arzneimittelreport 2018.
„Angesichts der Sicherheitslücken in der Arzneimitteltherapie geht es nicht um Schuldzuweisungen in Richtung Ärzte. Fehlende Verfügbarkeit wichtiger Informationen für Behandlungsentscheidungen, Sprachbarrieren oder unvollständige Medikationspläne können zu vermeidbaren Risiken bei der Arzneimitteltherapie führen. Die Patientinnen und Patienten müssen besser vor diesen Risiken geschützt werden", forderte der Vorstandsvorsitzende der BARMER, Prof. Dr. Christoph Straub.
Es sei enorm schwierig für Ärzte, den Überblick zu behalten. Aus diesem Grund habe die BARMER gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe das Projekt „AdAM" (Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management) ins Leben gerufen, um Hausärzte bei ihrem Arzneimitteltherapie- und Versorgungsmanagement zu unterstützen.
(Quelle: Pexels, CC0 Lizenz)
Jeder fünfte ab 65 erhält ein ungeeignetes Arzneimittel
Verdeutlicht werde das Ausmaß des Problems der sogenannten Polypharmazie, laut BARMER, durch die Tatsache, dass bundesweit rund 5,4 Millionen Menschen an drei chronischen Erkrankungen leiden. Bei 23,3 Millionen Menschen sind es sogar fünf oder mehr. Zwei Drittel der BARMER-Versicherten mit einer Polypharmazie seien im Jahr 2016 durch drei oder mehr Ärzte medikamentös behandelt worden.
Der Schutz vor vermeidbaren Risiken in der Arzneimitteltherapie gelingt den Reportergebnissen zufolge nicht immer. Jeder vierte BARMER-Versicherte ab 65 Jahren erhielt im Jahr 2016 ein von Experten nicht für diese Altersgruppe empfohlenes Arzneimittel (25,9 Prozent). Generell kann ein akutes Nierenversagen oder ein plötzlicher Herztod durch eine ungeeignete Kombination von Arzneimitteln ausgelöst werden.
Hier wird das Beispiel Blutdrucksenker (der ACE-Hemmer, AT1 Rezeptorantagonisten, Renin-Antagonisten) in Kombination mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Diclofenac genannt. Der Studienautor, Daniel Grandt, wird so zitiert, dass dort ein erhöhtes Risiko eines akuten Nierenversagens besteht.
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Ein weiteres Beispiel ist Methotrexat, ein Arzneistoff für die Krebs- und Rheumatherapie. Allein mehr als 1.400 BARMER-Versicherte erhielten das Mittel, obwohl es bei diesen Patienten wegen gleichzeitig stark eingeschränkter Nierenfunktion nicht eingesetzt werden dürfte. Ähnliches gilt für Therapien mit Antibiotika, wo einiges schief gehen kann, speziell, wenn weitere Arzneimittel eingenommen werden.
Ärzte können kaum noch den Überblick bewahren
Teil des Problems ist die Unübersichtlichkeit möglicher Varianten bei der Arzneimitteltherapie. Ohne Hilfe ist es für Ärzte kaum noch möglich, den Überblick zu bewahren. Die Reportergebnisse belegen für das Jahr 2016, dass Hausärzte im Durchschnitt 60 Arzneimittelwirkstoffe regelmäßig, also mindestens einmal im Quartal, und weitere 100 zumindest einmal pro Jahr verordneten.
„Hausärzte müssen die Gesamtmedikation ihrer Patienten, also auch die von Fachärzten verordneten Arzneimittel, beurteilen. Dass der Arzt hier die Risiken ohne Hilfsmittel immer korrekt einschätzen kann, ist schlichtweg nicht realistisch. Im Gegenteil, im Versorgungsalltag ist es für Ärzte oft ausgesprochen schwierig, über alle Arzneimittelverordnungen einer Patientin oder eines Patienten Bescheid zu wissen", betonte der Autor des BARMER-Arzneimittelreports Prof. Dr. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken.
Im Jahr 2016 seien bei der BARMER insgesamt 1.860 Arzneimittelwirkstoffe zum Einsatz gekommen und zwar in 454.012 Kombinationen von zwei Arzneimittelwirkstoffen. Kein Arzt könne die Risiken derartig vieler Arzneimittelkombinationen ohne Hilfsmittel korrekt einschätzen.
AdAM schafft Arzneimitteltherapiesicherheit für Patienten
Die BARMER habe zur Unterstützung der Ärzte daher zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe eine neue Versorgungsform entwickelt, die diese Probleme lösen könne. Mit AdAM, kurz für „Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management", ließen sich vermeidbare Risiken besser erkennen. Hausärzte erhalten Daten zur Arzneimitteltherapie, die Verordnungen aller Ärzte umfassen. Somit würde die Übersicht deutlich erleichtert. Zusätzlich erhalte der Arzt Hinweise auf potenziell vermeidbare Risiken der Therapie, um für seine Patienten die richtige und sicherste Therapie festzulegen. Ziel sei es, so Grandt, das Projekt in die Regelversorgung zu übernehmen, damit mehr als 20 Millionen Polypharmazie-Patienten davon profitieren können. AdAM wird mit circa 16 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert.
Der Barmer Arzneimittelreport 2018 ist ein umfangreiches Dokument von 214 Seiten, was wohl kaum jemand, der nicht vom Fach ist, durchlesen möchte.
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