Der Energieausweis ist seit 2009 bei allen Wohngebäuden in Deutschland Pflicht und muss bei Vermietung oder Verkauf vorgelegt werden. In Teil 1 hatte ich die Grundzüge behandelt. Nun gibt es aber eine Untersuchung, die zeigt, dass die Bauwerke energetisch oft besser als im Energieausweis bescheinigt sind. In Teil 2 geht es um diese Ergebnisse einer Studie, nach der die ausgewiesenen Daten falsch sein können.
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Die Idee des Energieausweises
Der Energieausweis ist von der Idee her dazu gedacht, Käufern und Mietern einen groben Vergleich des Energiebedarfs eines Gebäudes zu liefern. Die Energiebedarfsberechnung eines Architekten für die Bauplanung nehme ich hier mal aus. Jetzt den Energieausweis, der möglicherweise noch aus dem Verbrauch bzw. der Daten der letzten Heizabrechnungen ermittelt wurde, herzunehmen und vergleichende Bewertungen heranzuziehen, ist problematisch. Daher halte ich eine Aussage wie 'Der Energieausweis bietet einen objektiven Überblick über den Energiebedarf eines Gebäudes.', gefunden auf der Webseite eines Schornsteinfegers, für Augenwischerei. Sind die Annahmen falsch, ist es Essig mit dem objektiven Überblick. Für den Besitzer eines Objekts kann dabei viel Geld auf dem Spiel stehen, wenn der Energieausweis das Gebäude viel schlechter darstellt, als es in Wahrheit ist.
Klassifizierung nach Energieausweis falsch
Szenenwechsel: Kürzlich titelte Spiegel Online Lässt der Energieausweis Ihr Haus schlechter aussehen als es ist? Die Botschaft des Artikels, der nur Abonnenten zugänglich ist, lautet: Deutsche Häuser sind viel energieeffizienter als in Energiebedarfsausweisen berechnet. Falsche Annahmen können daher Mietern (bei Sanierungsmaßnahmen) sowie Eigentümern bei (Vermietung oder Verkauf) unnütz viel Geld kosten – weil sich die laut Energiebedarfsausweis ergebenden Eingruppierung nur theoretischer Natur und falsch ist.
(Lutz Weidner, CC BY-SA 3.0)
Basis der Meldung des Spiegels: Der Bauphysiker Thomas Ackermann von der Fachhochschule Bielefeld hat für eine Studie drei Dutzend Gebäude in ganz Deutschland, über 10 Jahre vermessen. Die Studie hat Ackermann für den Eigentümerverein Haus und Grund durchgeführt. Unter den Objekten waren Einfamilien- und Mietshäuser in ganz Deutschland. Der Bauzustand reichte von alten Villen bis hin zu modernen Passivhäusern. Die Häuser stehen in Nähe von Stationen des deutschen Wetterdiensts, um auch die klimatischen Bedingungen mit einfließen zu lassen.
Das Ergebnis ist brisant und dürfte im Rahmen der Diskussion zum Klimawandel noch mehr Gewicht bekommen. Ackermann wird mit 'Die energetische Qualität des deutschen Baubestands ist deutlich besser als in den Energiebedarfsausweisen ausgewiesen' zitiert. Alle einbezogenen Häuser hatten einen Energieverbrauch, der unter der Angabe dessen lag, was der Energieausweis bescheinigte. Einzelne Häuser in seinen Messungen schnitten bis zu fünf Kategorien besser ab als im Energieausweis vermerkt.
Ein altes Backsteinhaus mit Abluftanlage in der Nähe von Hamburg (war wohl energetisch saniert) wurde vom Energieausweis mit einem um 173 Prozent zu hohen Energiebedarf ausgewiesen. Aber in allen modernen Häusern konnte Ackermann systematische Fehler bei der Klassifizierung des Gebäudes durch den Energieausweis nachweisen. Je moderner ein Gebäude, umso größer die Fehler der Energieausweis-Bedarfsaussage, so der grobe Schluss.
Und eine solche fehlerhafte Einordnung geht ins Geld. Ein Haus wird im Energieausweis in eine Kategorie von A bis H eingruppiert. Je schlechter eine Kategorie ist (H ist ganz schlecht), um so schwieriger wird das Objekt zu verkaufen oder zu vermieten sein. Wird jetzt ein Haus im Energieausweis in eine schlechtere Klasse eingestuft als es ist, hat das Konsequenzen. 'Je schlechter die Kategorie, desto geringer der Wert des Hauses beim Verkauf', sagt Ackermann.
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Problem wird dann auch jeglicher Ansatz zur energetischen Modernisierung. 'Regelungen, die zu einer Verminderung des Schadstoffausstoßes im Gebäudebestand führen sollen, würden wirkungslos bleiben', so Ackermann. Denn ein schon energetisch gut aufgestelltes Haus alleine auf Basis der Klassifizierung im Energieausweis zu modernisieren, bringt weniger als erwartet. Artikel zur Studie lassen sich hier und hier nachlesen.
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