Ein Fund aus Grabungen im Jahr 2018 ermöglicht neue Einblicke in das Schicksal eines römischen Legionärs, der möglicherweise an der Varusschlacht teilnahm. Sein Schienenpanzer und eine sogenannte Halsgeige wurde gefunden – was Spekulationen nährt, dass der gefangene Legionär nach der Schlacht gefoltert und getötet wurde.
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Die Varusschlacht fand im Jahr 9 nach Christus (wohl in der zweiten Jahreshälfte) statt. Dabei erlitten drei römische Legionen samt Hilfstruppen und Tross unter Publius Quinctilius Varus in Germanien eine vernichtende Niederlage gegen ein germanisches Heer unter Führung des Arminius („Hermann"), eines Fürsten der Cherusker. Der Ort der Varusschlacht wurde nie genau ermittelt – es gibt das Hermanns-Denkmal im Teutoburger-Wald und ein Museum in Kalkriese reklamiert den Ort der Schlacht. Das ist aber nicht ganz unumstritten; so viel zur Einordnung des nachfolgenden Funds. Fakt sind die Fundstücke, ob der Legionär an der Varusschlacht teilnahm, ist nicht bewiesen.
Fund eines Schienenpanzers und einer Halsgeige
Letzten Freitag wurde von Wissenschaftlern der Fund eines Schienenpanzers (Lorica Segmentata) aus römischen Heeresbeständen und einer sogenannten Halsgeige bekannt gegeben. Die Archäologen bezeichnen dies als einen herausragenden Fund, den sie der Varusschlacht zuordnen. Der gefundene römische Schienenpanzer stammt aus augustinischer Zeit und ist eine aus mehreren Metallplatten zusammengesetzte Rüstung. Diese schützte über Jahrhunderte die Oberkörper römischer Legionäre.
„Er ist bislang der älteste und der einzig erhaltene römische Schienenpanzer. Dieser Fund liefert uns gänzlich neue Einblicke in die römische Rüstungstechnik.", sagt Professor Salvatore Ortisi (Ludwig-Maximilians-Universität München), seit seinem Weggang von der Universität Osnabrück kommissarischer Leiter der Wissenschaftsabteilung am Museum und Park Kalkriese.
Zur Einordnung: Obwohl der Schienenpanzer zur festen Ausstattung der römischen Armee gehörte und in römischer Zeit vielfach abgebildet wurde, gibt es kaum Funde, die Archäologen über das reale Erscheinungsbild und die technischen Details dieser Schutzrüstung in Kenntnis setzen. Bislang musste man immer ins englische Corbridge schauen, wo sechs Hälften von Schienenpanzern gefunden wurden. Diese stammen jedoch aus dem 2. Jahrhundert nach Christus und sind damit über 100 Jahre jünger als der neue Fund aus Kalkriese.
Geschichte der Entdeckung
Entdeckt wurde der Schienenpanzer bei archäologischen Ausgrabungen in Kooperation mit der Universität Osnabrück im Jahr 2018. Dass es sich um einen weitgehend vollständig erhaltenen Schienenpanzer handelt, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Das Wissenschaftlerteam erahnte lediglich ein sehr großes Metallobjekt im Boden. Um den Fund fachgerecht freilegen zu können, entschied man sich für die Bergung im Block. Ein in der Archäologie gängiges Vorgehen, um den Fund im Anschluss unter Laborbedingungen in der Restaurierung auszugraben.
Vor der Freilegung des Blocks, der mit einer Größe von 1,25 Meter mal 1 Meter rund 500 Kilogramm auf die Waage gebracht hat, sollte jedoch Licht ins Dunkel gebracht werden. Die erste Reise führte den Block in die große Röntgenanlage des Zollamtes des Flughafens Münster/Osnabrück. Doch das umgebende Erdreich schirmte den metallischen Inhalt so gut ab, dass lediglich klar war, dass es sich hier wirklich um ein sehr großes und metallisches Objekt handeln muss. Die Reise ging weiter: ins Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Fürth. Hier steht das weltweit größte öffentlich zugängliche Computertomographie-System.
Die sogenannte XXL-CT erschließt die einzigartige Möglichkeit, großvolumige Objekte vollumfänglich dreidimensional zu erfassen. Durch den Einsatz hoher Röntgenenergien von bis zu neun Megaelektronenvolt wird eine gute Durchdringung des Blocks erzielt, sodass eine besonders dichtetreue Abbildung von unterschiedlichsten Materialien möglich wird. Die räumliche Auflösung liegt dabei im Bereich unterhalb eines Millimeters. Gescannt wurde der Block mit insgesamt 1500 Bildern während einer über mehrere Tage dauernden 360-Grad-Drehung.
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„Mit unseren CT-Anlagen ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Wir können Unsichtbares sichtbar machen. Das ist ein wichtiger Schritt zur virtuellen Erfassung historisch bedeutsamer Objekte in Sammlungen und Museen", berichtet Katrin Zerbe, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT in Fürth des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS. „Mein persönliches Highlight in diesem Projekt ist, Teil eines interdisziplinären Teams zu sein. Als Physikerin zusammen mit Bodenkundlern und Archäologen auf Spurensuche zu gehen, war eine tolle Möglichkeit ein ganz neues Themengebiet kennenzulernen", so Zerbe weiter. Mit einer E-Mail aus Fürth kam dann endlich Licht ins Dunkel: Es handelt sich tatsächlich um einen römischen Schienenpanzer.
Der Schienenpanzer wird zurzeit in einem aufwändigen Restaurierungsprozess nach und nach, Platte für Platte freigelegt, so die Pressemitteilung des Landkreises Osnabrück, in der sich auch einige Fotos finden. Durch die obenliegende Erde sind die einzelnen Bestandteile der Rüstung zusammengedrückt – wie bei einer Ziehharmonika sind die Platten über die Zeit ineinandergeschoben worden. Die Platten im Schulter- und Brustbereich sind entnommen und zum Teil schon restauriert. Die Bauchplatten sind noch im Block und werden in den kommenden Monaten freigelegt. „Trotz der schlechten Erhaltungsbedingungen durch den sauren und sandigen Boden in Kalkriese ist der Schienenpanzer in seiner Komplexität relativ gut erhalten. Scharniere, Schnallen und die Bronzebeschläge sind gut erkennbar. Und wir haben sogar organische Bestandteile, wie Reste von Leder", so Rebekka Kuiter, Restauratorin im Museum und Park Kalkriese. Nach derzeitigem Erkenntnisstand besteht der Kalkrieser Schienenpanzer aus 30 einzelnen Platten; es fehlen lediglich vier bis fünf Platten. Das wissenschaftliche Projekt zur Erforschung des Schienenpanzers wird ermöglicht durch eine Förderung der Stiftung Niedersachsen.
Fundort offenbar Schicksal eines römischen Legionärs
Bemerkenswert ist auch der Fundkontext des Schienenpanzers. Im Hals-/Schulterbereich lag eine so genannte Halsgeige. Das ist ein typisches Fesselungsinstrument, das die Hände am Hals fixiert und die Handlungsfähigkeit des so Gefesselten wirkungsvoll einschränkt. Halsgeigen wurden in der römischen Armee mitgeführt, um vor allem Kriegsgefangene, deren Schicksal die Sklaverei war, zu fesseln. Ein Foto der Fragmente der Halsgeige findet sich in diesem Artikel zum Thema
Die gesamte Fundsituation legt nahe, dass hier ein römischer Legionär als Überlebender des Gefechts von den germanischen Siegern mit dem römischen Unterwerfungssymbol gefesselt wurde. „Der Schienenpanzer ist damit nicht bloß ein einzigartiges archäologisches Fundstück, sondern ebenfalls Teil einer tragischen Szene, die sich hier abbildet. Wir sehen neben all den bisherigen römischen Funden vom Schlachtfeld erstmals ein individuelles Schicksal auf dem Fundplatz Kalkriese, das die schreckliche Seite des Krieges zeigt", erklärt Stefan Burmeister, Geschäftsführer des Museums Kalkriese.
Spiegel Online spekuliert in diesem Artikel (bezahlpflichtig), dass der gefangene römisch Legionär nach Ende der Varusschlacht gefoltert und dann getötet worden sein könnte. Fotos der Fragemente des Schienenpanzers finden sich in dieser Pressemitteilung, in diesem Artikel, sowie in diesem NDR-Beitrag.
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Nur weil ich's gerade zum zweiten mal lese und es zum Thema passt
S. Fischer-Fabian, "Die ersten Deutschen"
Über das rätselhafte Volk der Germanen
Da geht's u. A. auch um die Konflikte mit den Römern. Mit unfangreichem Bildmaterial und Infos zu bspw. Moorfunden aus historischen Zeiten.