Gerade hat die Coronavirus-Pandemie zu einem neuen Schub in der Medizin geführt, für bestimmte Einsatzzwecke bekannte Medikamente erneut unter die Lupe zu nehmen, und zu prüfen ob diese nicht für neue Anwendungsfälle anwendbar sind.
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Medikamente werden ja häufig für einen speziellen Einsatzzweck entwickelt und dafür auch zugelassen. Aber es gibt immer wieder Fälle, wo der Wirkstoff auch für andere Krankheiten oder Beschwerden hilft.
Altbekannte Fälle
Mir ist ein solcher Fall beim Medikament Baclofen bekannt. Es wird zur Behandlung der Spastik bei Rückenmarksverletzungen und Multipler Sklerose eingesetzt. Ich habe dieses Medikament eine Zeit lang zur Milderung der Folgen eines Sportunfalls mit genau einer solchen Rückenmarksverletzung genommen. Allerdings leide ich unter dessen Nebenwirkungen (Übelkeit in den hohen Dosierungen, die ich ggf. für eine Wirksamkeit benötigen würde), weshalb ich die kontinuierlich Einnahme abgesetzt habe.
Das Medikament wurde ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie (1962 bei Ciba) entwickelt. Bei der Recherche nach diesem Medikament stieß ich dann auch auf die Information, dass das Medikament in Frankreich als 'Säufer-Pille' gegen Alkoholismus eingesetzt wird. Hintergrund ist ein erfolgreicher Selbstversuch des Kardiologe Olivier Ameisen, der damit die Alkoholsucht bekämpfen konnte. Inzwischen ist Baclofen als ein vielversprechendes Medikament zur Behandlung des Alkoholmissbrauchs bei mittelschweren bis schweren Fällen im Einsatz.
(Quelle: Pexels/Pixabay CC0 Lizenz)
Ähnliches gilt für Aspirin, welches als Schmerzmittel entwickelt wurde, aber auch wegen seiner Fähigkeit zur Gerinnungshemmung zur Blutverdünnung im Einsatz ist.
Coronavirus-Pandemie gibt neuen Auftrieb
In Zeiten der Coronavirus-Pandemie geraten verschiedene bereits bekannte und zugelassene Medikamente erneut in den Fokus der Medizin, in der Hoffnung, dass diese zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt werden können. Das Medikament Remdesivir erhielt sowohl in den USA als auch in Europa eine Notfallgebrauchszulassung zur Behandlung von COVID-19-Erkrankungen. Weil Pharmafirmen heute weniger Geld für die Erforschung neuer Wirkstoffe haben, gibt es weniger neue Medikamente. Daher kommt der Erforschung neuer Einsatzzwecke für bekannte Medikamente (als Revival bezeichnet) ein hoher Stellenwert zu, wie hier berichtet wird. Denn die Kosten für die Zulassung eines Medikaments für einen neuen Einsatzzweck liegen um die 85 % niedriger als bei einer Neuentwicklung.
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Der spektakulärste mir bekannte Fall einer solchen Umwidmung dürfte die Neu-Verwendung des wegen der verheerenden Missbildungen der Kinder während der Schwangerschaft höchstgefährlichen Thalidomid, aka Contergan (!!!), u.a. bei Lepra sein. (Näheres dazu s. Wikipedia.)
Die Contergangeschädigten liefen damals Sturm dagegen, dass das Teufelszeug jemals wieder auf den Markt kommt.
Überhaupt wurden viele Chemikalien gar nicht so zielgerichtet entwickelt wie man sich das denkt, und manche Arzneimittelwirkung ist eher ein nachträglicher Zufallsfund durch wildes Herumprobieren. – Anscheinend können es die Chemiker nicht lassen, alles, was sie gerade neu zusammengekocht haben, erstmal in den Mund zu nehmen wie die Kleinkinder (Entdeckung des LSD) …