Kleine Information am Rande zum Irrsinn heutiger Verträge. Wer in ein Pflegeheim umziehen, aber einen Telefon- Kabel- oder Internetvertrag dort nicht mehr nutzen kann, muss trotzdem weiter zahlen. Mir ist gerade ein solcher Fall bei Vodafone zur Kenntnis gelangt.
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Die langen Vertragslaufzeiten
Die Anbieter von Telekommunikationsleistungen arbeiten ja meist mit Verträgen, die eine Mindestlaufzeit von 24-Monaten haben. Diese Verträge verlängern sich ohne fristgerechte Kündigung automatisch um mindestens weitere 12 Monate. Ich hatte lange eine DSL-Vertrag für den Internetzugang, der eine einmonatige Kündigungsfrist vorsah. Klare, faire und transparente Sache. Im Zuge dessen, dass die Telekom analoge und ISDN-Anschlüsse einstellte, musste ich meinen DSL-Vertrag für den Internetzugang wechseln. Ich bin zwar beim gleichen Anbieter, habe jetzt aber 24 Monate Vertragslaufzeit mit automatischer Verlängerung und demnächst eine Preiserhöhung. Telekom wäre noch schlechter mit den Konditionen gewesen. Eine einmonatige Vertragslaufzeit, die mir immer wichtig war, bekomme ich schlicht nicht.
Das SPD-geführte Justizministerium wollte eigentlich per Gesetz gegen diese langen Vertragslaufzeiten vorgehen – maximal einen Monat sollte ein Vertrag laufen – gute Sache für Verbraucher. Das Gesetz gegen 'Kostenfallen und lange Vertragslaufzeiten' wird aktuell aber offenbar von der CDU in der Bundesregierung blockiert. Konkret wird Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) genannt, der den Gesetzentwurf blockiere. Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner kritisiert, dass Altmeier die Wirtschaftslobby wichtiger sei als die Verbraucher. Altmeiers Ministerium wird zitiert, dass es darum gehe "faire und unbürokratische Lösungen" anzustreben – eine gerne genutzte Floskel, um etwas auf Sankt Nimmerleinstag zu verzögern. Und 2021 sind Bundestagswahlen und die Hoffnung besteht, dass dann das Vorhaben ganz in der Schublade verschwindet. Die Lobby hätte gesiegt und der Verbraucher schaut in die Röhre.
Welche Auswirkungen die "fairen und unbürokratische Lösungen" für Verbraucher haben, zeigt sich an einer speziellen Konstruktion, die ich aufgreifen möchte. Irgendwann steht für viele von uns der Umzug in betreutes Wohnen oder in ein Pflegeheim an. Da sind dann allerlei Verträge zu kündigen, wenn man die Leistungen am neuen Ort nicht nutzen kann.
In der eigenen Familie konnten wir Telefon (Internet gab es keines) nach dem Tod eines Angehörigen und Umzug des überlebenden Ehepartners in eine Pflegeeinrichtung bei der Telekom problemlos kündigen. Auch andere Verträge, die auf den Verstorbenen liefen, konnten so zeitnah gekündigt werden. Das muss aber nicht immer so reibungslos laufen, speziell, wenn der Vertragsinhaber umzieht und am neuen Wohnort die Vertragsleistungen nicht mehr nutzen kann. Hier kommt es sogar noch auf die Feinheit 'technisch nicht mehr nutzen können' oder 'eine Nutzung macht keinen Sinn mehr, weil die Leitung nicht mehr gebraucht wird'.
Im besagten Fall mit dem Todesfall in der Familie hatten wir dann noch ein spezielles Erlebnis mit der RMV-Versicherung, die es nicht hinbekam, drei verschiedene Versicherungsleistungen (Haftpflicht, Hausrat, Feuerversicherung) sauber aufzutrennen. Wir haben Tonnen an dicken Schriftstücken an die Anschrift des Verstorbenen geschickt bekommen, wo nie der Sachverhalt korrekt wiedergegeben wurde. Am Ende des Vorgangs standen wir sogar ohne Gebäudeversicherung da, weil das Unternehmen wegen des Leerstands kündigte. Eine andere Versicherung hat dann das Ganze gerne übernommen.
Vodafone-Kabel und der Umzug ins Pflegeheim
Über meine vielfältigen Kanäle ist mir jetzt ein solcher Fall unter die Augen gekommen, der den Irrsinn der Vorstellungen Altmeiers im Hinblick auf "faire und unbürokratische Lösungen" aufzeigt . Ein Blog-Leser teilte mir mit, dass seine Mutter in ein Pflegeheim zieht und damit fristgerecht einen Vertrag mit dem Anbieter Vodafone für einen Kabelanschluss kündigt. Normalerweise würde man jetzt meinen: Gut, fristgerecht gekündigt, alles ist gut. Aber da hat man die Rechnung ohne das Kleingedruckte gemacht. Der Leser hat mir nachfolgenden Auszug zum Sonderkündigungsrecht zukommen lassen.
(Vodafone Sonderkündigungsrecht)
Beim Umzug gibt es ein Sonderkündigungsrecht von 3 Monaten 'zum Ende des Kalendermonats', wenn die Leistung am neuen Wohnort nicht mehr genutzt werden kann. Die Betroffene kann den Kabelanschluss von Vodafone im Pflegeheim nicht mehr nutzen. Der Hammer findet sich aber im zweiten Absatz des obigen Ausrisses der Vodafone-Antwort zum Sonderkündigungsrecht. Auch wenn jemand 6 Monate vor dem Umzug gekündigt hat, nützt ihm das nichts. Die 3 Monate Kündigungsfrist laufen erst drei Monate nach dem Auszug aus der alten Wohnung. In Deutsch (also kein Amtsdeutsch im Sinne "und unbürokratische Lösungen") heißt dies: Die Dame kann zwar keinen Kabelanschluss mehr am neuen Wohnort nutzen, aber sie darf noch weitere drei Monate zahlen. Begründet wird dies mit dem Interessensausgleich zwischen Anbietern und Verbrauchern, die auch zahlen sollen, wenn sie die Leitungen nicht mehr nutzen können.
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Ein Skandal und eine Lizenz zum Geld drucken, die in Deutschland Tausendfach zur Anwendung kommt. Und nun schließen wir den Kreis: Das Justizministerium wollte diesen Sachverhalt auf saubere Füße stellen und hin zu Regelungen mit monatlichen Vertragslaufzeiten, die fair sind, kommen. Da aber Altmeiers CDU auf "faire und unbürokratische Lösungen" mit Interessensausgleich für die Anbieter pocht, darfst Du auch nach dem Umzug ins Pflegeheim für etwas zahlen, was Du fristgerecht kündigen aber nicht mehr nutzen kannst. Ich halte mich hier im Blog zwar aus politischen Sachen weitgehend heraus … aber tief im Herzen flüstert eine Stimme 'wird Zeit, dass Altmeier als Bremsklotz im Wirtschaftsministerium rausgeschossen wird' … und 2021 ist ja Bundestagswahl … keine leichte Entscheidung, aber vielleicht werden ja die Karten ab 2021 neu gemischt.
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/ Ich halte mich hier im Blog zwar aus politischen Sachen weitgehend heraus … /
Das – und meine Erziehung zur Höflichkeit – verbietet mir öffentlich zu sagen, was ich von besagtem "Politiker" halte.
Moin,
bei Menschen die Krankheitsbedingte Einschränkungen aufweisen oder auf einem Betreuer angewiesen sind, lassen sich Verträge mit Verweis auf §314 BGB binnen einen Monats kündigen.
… wird aber nichts nützen, denn in Absatz 4 des § 314 steht: Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
@aber vielleicht werden ja die Karten ab 2021 neu gemischt
Die Frage ist, ob die Politik überhaupt noch Entscheidungen gegen die Industrielobby durchsetzen kann, egal wer gerade am Ruder ist. Jedenfalls wird die Gemengelage allgemein immer schlechter; so jedenfalls meine Wahrnehmung. Die Globalisierung trägt nicht unerheblich zu der ganzen Misere bei. Auf der einen Seite profitieren wir sicher davon, andererseits holen wir uns im übertragenen Sinne aber den Kuckuck ins Nest.
Selbstverständlich handeln unsere Parteien/Politiker im Sinne der Wirtschaftslobby!
Sie ringen den Firmen außergewöhnliche Summen für Lizenzen im Mobilfunk-Bereich ab, und hoffen auf den Netzausbau. Innoffiziell tun sie, vorsätzlich, nichts für den Verbraucherschutz was diesen Firmen schaden könnte. Die Firmen haben sozusagen freie Handhabe.
Wir leben nun wirklich in einer digitalen Welt – gerade Verträge online abschließen/kündigen/wechseln sollte inzwischen sofort möglich sein, alles andere ist pure Kundenverarschung! 24 Monate… Steinzeit?
Unsere Regierung tut in der Hinsicht nichts für uns.