Aktuell steuern wir wohl auf eine vierte COVID-19-Infektionswelle zu – und die Zahl der Impfungen gegen diese Viruserkrankung nimmt seit Wochen kontinuierlich ab. Von Impfverweigerern und Impfgegnern werden die krudesten Thesen ins Feld geführt. Andere haben Angst vor Nebenwirkungen, obwohl die Folgen einer COVID-19-Erkrankung katastrophal sein können. Das Fachpersonal auf den COVID-19-Stationen hat eine deutliche Meinung zur Impfung "wer sich nicht impfen lässt, wird es bereuen".
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Es ist zum Mäuse melken: Im zeitigen Frühjahr hat sich die Presse und die Öffentlichkeit über "Impfvordrängler" echauffiert. Also Leute, die sich eine übrig gebliebene Restdosis aus einem Impfzentrum spritzen ließen, bevor diese weggeworfen werden musste. Selbst unsere öffentlich-rechtlichen Sender waren sich nicht zu schade, um das Thema aufzugreifen und in Moderationen am köcheln zu halten. Wenn ich mich richtig erinnere, war Volkes Meinung, die gelegentlich durchschimmerte, dass diese "Impfvordrängler" mit Kerker, nicht unter 100 Jahren, zu bestrafen seien. Jetzt im August 2021 müssen Impfdosen mangels Impflingen weggeworfen werden und Impfzentren sowie Ärzteschaft suchen händeringend Impfwillige.
Das sagen Mediziner und die Wissenschaft
Die Delta-Variante des SARS-Cov-2-Virus wirft viele der Erkenntnisse, die mit der Ursprungsvariante des Virus einhergingen, über den Haufen. Die Delta-Variante ist wesentlich ansteckender und es gibt wohl auch schwerere Verläufe. Zufällig sind mir auf Twitter einige Informationen zum Thema unter die Augen gekommen, und ich stelle diese hier mal zusammen.
Irrtum #1: Die Impfung nutzt nichts
Inzwischen gibt es in der Presse ja häufiger Meldungen, dass auch Geimpfte wieder an COVID-19 erkranken (die sogenannten Impfdurchbrüche), und plötzlich steht die These "die Impfung hilft ja nicht" im Raum. Der nachfolgende Tweet eines Facharztes (oder einer Ärztin) für Anästhesie bringt das Thema mit wenigen Worten auf den Punkt.
COVID-19-Impfung und Hospitalisierung
Die hervorgehobenen Zahlen in obigem Tweet aus den Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind eine deutliche Aussage. Wer geimpft ist, kann zwar in der Klinik landen (das wurde auch nie behauptet, dass eine Impfung einen 100% Schutz bietet) – wer jetzt aber auf den Intensivstationen liegt, ist zu weit über 95% ungeimpft. In seinem Profil bringt die Person es deutlich auf den Punkt:
Nach einer Stations-Quarantäne durch eine Impfverweigerin, werde ich jetzt laut: Wir brauchen eine #Impfpflicht in den Krankenhäusern
Und in weiteren Tweets folgen Aussagen wie diese:
Wenn ihr also wissen wollt wieso wir Ärzte genervt sind, wenn Ungeimpfte herumtollen, dann sind das die Gründe. Wir behandeln natürlich auch #dieBasis, oder #noAfd, das ist unser Job, aber es bleibt ein fader Beigeschmack. Es hätte vermieden werden können!
Wenn ihr wissen wollt, wieso wir eine Impfpflicht für Krankenhäuser fordern, dann ist das einer der Gründe. Ganze Stationen müssen in Quarantäne, weil einzelne sich nicht impfen lassen, und das Leben von vulnerablen Gruppen gefährden. Wieso?!
HÖRT GUT ZU!!! Wir warnen euch! Delta ist hoch ansteckend und gefährlicher. Die Viruslast ist stark erhöht. Diese kanadische Studie geht von 120% mehr Hospitalisierungen, 287% mehr ICUs und 137% mehr Toten bei Delta aus. (Quelle)
Sagt nicht wir haben euch nicht gewarnt. Bitte nehmt es ernst. Das sind die ITS Statistiken aus Deutschland, wenn die weiter so wachsen, werden wir Ende September keine Betten mehr haben.
ACHTUNG – Diesmal aber werden wir das Virus nicht so einfach stoppen. Der R0 Wert zwischen 6-9. Beinah wie Windpocken. Zu Ansteckend. Einzige Möglichkeit wäre ein extremer Lockdown. ->Verweis auf Vietnam
Das ist keine Horrorgeschichte, sondern das kann passieren, das sind die aktuellen Entwicklungen, das passiert, und die Impfquote muss hoch. Wir halten die Flut der Ungeimpften nicht mehr lange aus! Bis ca. Ende September. Dann ist Schluss.
Die Viruslast ist bis zu 1000 mal höher als bei Wildvariante. Das ist leider ein Indiz dafür, dass die Todesrate unter Ungeimpften steigen wird, und die LC Verläufe auch. (Quelle)
Einer der größten Irrtümer bei uns auf Station ist: Wenn ihr bereits bei uns auf der Intensiv seid, dann könnt ihr euch nicht mehr impfen lassen. Es ist zu spät! Bitte lest diesen Thread, und lasst euch impfen. -> US-Bericht dazu
Also, ich lese da eine klare Empfehlung für die Impfung heraus. Wer selbst nicht am Leben hängt, sollte sich zumindest zum Schutz der Familie und der Mitmenschen impfen lassen.
Irrtum #2: Geimpfte sind genauso ansteckend wir Ungeimpfte
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Es gibt auch immer wieder Schlagzeilen, in denen es heißt, dass auch Geimpfte bei einer COVID-19-Infektion eine hohe Virenlast tragen. Speziell die Delta-Mutation hat da einen Anlass. Aber auch das ist wohl nur eine sehr verkürzte und einseitige Darstellung des gesamten Sachverhalts. Mir sind zeitgleich eine Reihe Tweets eines Mikrobiologen und Autors zu diesem Thema untergekommen. Hier die Texte aus den zehn Tweets in Kompaktform zusammengefasst.
Wie ansteckend sind Geimpfte? Neue Arbeit: Auch bei gleicher Viruslast sind Viren, die man Geimpften entnimmt, nicht so vermehrungsfähig wie Viren, die man Ungeimpften entnimmt. Das sind hervorragende Nachrichten, gönnt euch diese Einordnung! [1/10]
Im April zeigte eine Studie aus England mit Daten aus der realen Welt, dass bereits drei Wochen nach der ersten Impfdosis die Wahrscheinlichkeit, das Virus an jemanden weiterzugeben, um die Hälfte reduziert ist. Das war jedoch vor Delta. [2/10]
Dann kam die Delta Mutante. Und mit ihr Daten die zeigen, dass die Viruslast bei Geimpften innerhalb der ersten Tage so hoch ist wie bei Ungeimpften. Oft wurde das so interpretiert: „Geimpfte sind genauso ansteckend wie Ungeimpfte!". Aber so einfach ist das aber nicht. [3/10]
Die Viruslast leitet man vom Ct-Wert eines PCR Tests ab. Der gibt an wie viele Kopien der Virus-RNA beim Rachenabstrich gefunden wurden, aber NICHT, ob diese Viren infektiös sind. Das ist jedoch wichtig, denn Geimpfte haben Antikörper, die das Virus neutralisieren. [4/10]
Diese Antikörper können die Oberfläche des Virus „verkleben". Seine RNA ist dann mittels PCR zwar nachweisbar, jedoch ist das Virus nicht mehr vermehrungsfähig. Aussagekräftiger ist es zu messen, ob Vollimmunisierte ebenso infektiöse Viren in sich tragen wie Ungeimpfte. [5/10]
In dieser Arbeit wurden 161 Impf-Durchbrüche (90% Delta) untersucht. Sowohl mit PCR (wie viele RNA Kopien vorhanden?) als auch mit Vermehrung in Zellkultur (Wie infektiös sind die Viren?). Wie erwartet: Kein signifikanter Unterschied in der Anzahl an RNA-Kopien (Ct-Wert). [6/10]
ABER: Bei gleichem Ct-Wert ließen sich in Zellkultur die Viren von Geimpften deutlich seltener vermehren, als Viren von Ungeimpften. Das legt nahe, dass Geimpfte bei gleicher Viruslast weniger ansteckend sein dürften als Ungeimpfte. [7/10]
Besonders groß sind diese Unterschiede im mittleren Ct-Bereich. Beispiel – Viruslast entlang dieser roten Linie: Bei Ungeimpften lässt sich aus 90% der Proben Virus vermehren. Bei Geimpften nur aus 60% der Proben. Trotz des gleichen Ct-Wertes! [8/10]
Wie bedeutsam ist dieser Effekt im Alltag? Wie verändert er sich mit Abstand zur Impfung? Weiß man nicht. Lässt aber vermuten, dass Geimpfte nicht nur in der späten Phase der Infektion weniger ansteckend sind (weil Ct schneller sinkt), sondern auch bei gleicher Viruslast. [9/10]
In den Tweets sind Grafiken eingebunden, die ich hier nicht zeige – kann man sich auf Twitter ansehen. Im letzten Tweet werden dann noch die Quellen verlinkt.
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Hab hier einen in der Nachbarschaft der meinte, dass die Impfung Nebenwirkungen hat und er sich nicht impfen lässt. Meinen bescheidenen Hinweis, dass Corona als Nebenwirkung den Umzug ins Stadtteil "Zur letzten Ruhe" hat, hat er nicht begriffen.
Ach was können Menschen blöd sein.
Herr schmeiss Hirn vom Himmel und bitte viel …