Warum Amerika heute in Zoll und anderen Maßeinheiten misst

Spannende Tatsache: In den USA fahren die Autos zwar rechts (im Gegensatz zu Großbritannien, wo Linksverkehr herrscht). Aber die USA verwenden nicht das metrische Maßsystem mit Meter, Kilogramm etc. sondern das angloamerikanische Maßsystem, welches auf mittelalterlichen Bezeichnungen aus England (Zoll etc.) fußt. Warum das so ist?


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Mir ist das Thema vor einiger Zeit gleich zweifach vor die Füße gekullert. Einmal war da der nachfolgende Tweet, wo "World of Engineering" (Welt der Ingenieure) fragt, wo auf der Welt das amerikanische und britische Maßsystem verwendet wird.
Amerikanische und britische Maßeinheiten auf der Welt

Außer in den USA, Großbritannien, Liberia (eine Ausgründung freigelassener amerikanischer Sklaven), Myanmar oder Nordkorea und einiger kleinerer Inseln ist das angloamerikanische Maßsystem nicht mehr gebräuchlich. Die Karte auf Wikipedia zeigt detaillierter an, wo das angloamerikanische Maßssystem noch gilt. Im Rest der Welt gilt dagegen das metrische Maßsystem mit Meter und Kilogramm als Einheiten. Konkret wird dort das Internationale Einheitensystem (SI) verwendet. Ich erinnere mich noch 1969 als Lehrling den Übergang auf das internationale Einheitensystem (SI) erlebt zu haben, als in der Berufsschule der Druck nicht mehr in Bar, sondern in Pascal anzugeben war.

Amerika fährt seinen eigenen Stiefel

Dass sich auf der britischen Insel ein eigenes Maßsystem etabliert hat, ist wohl dem Inseldasein und der Spleenigkeit der Engländer geschuldet. Und Amerika, welches aus 13 britischen Kolonien entstand, übernahm ursprünglich dieses Maßsystem.

Deutsch als Amtssprache?

Nachdem viele Einwanderer aus Europa und vor allem Deutschland nach Amerika auswanderte, wäre es naheliegend, dass sowohl die Sprache als auch das metrische Maßsystem in den USA Einzug gehalten hätte. Es hält sich das Gerücht, dass Deutsch "fast Amtssprache" in den USA geworden wäre, aber eine Abstimmung knapp gescheitert sei.

Diese sogenannte Muhlenberg-Legende stimmt leider nicht. Nur in Pennsylvania war Deutsch vorherschend, während in den meisten US-Bundesstaaten Englisch gesprochen wurde. Am 9. Januar 1794 brachten deutsche Einwanderer aus Virginia eine Petition, dass Gesetzestexte auch auf Deutsch veröffentlich werden sollten, beim US-Repräsentantenhaus ein. Die Petition wurde mit 42 zu 41 Stimmen abgelehnt – was den Mythos "Deutsch wäre fast als Amtssprache" in Amerika eingeführt worden., begründete Der Stern hat hier die ganze Geschichte aufbereitet.

Inch, Fuß. Meilen und Gallonen

Kommen wir zur Frage, warum Amerika nicht das metrische Maßsystem bzw. das internationale Einheitensystem (SI) sondern das angloamerikanische Maßsystem verwendet. Die arbeiten weiter in Meilen, Zoll (Inch), Fuß und Gallonen.

Selbst in der internationalen Luftfahrt wird die Höhenangabe in Fuß und die Geschwindigkeit in Knoten benutzt.

Das Ganze hat politische und historische Gründe. Ich bin vor einiger Zeit auf den Artikel It's been 230 years since British pirates robbed the US of the metric system gestoßen.


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Im Jahr 1793 segelte der französische Wissenschaftler Joseph Dombey auf Einladung von Thomas Jefferson (einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten und dritter amerikanischer Präsident) in die neu gegründeten Vereinigten Staaten und hatte zwei Objekte im Gepäck, die Amerikas Maßsystem hätten verändern können.

Einerseits war es ein Metallzylinder, der genau ein Kilogramm wog. Das zweite war ein Kupferstab von genau einem Meter Länge. Jefferson war begeistert von der Rationalität des metrischen Systems und ein begeisterter Frankophiler. Sein Ziel war es, das metrische System in den USA einzuführen.

Doch Dombeys Schiff kam vom Kurs ab, wurde von englischen Freibeuter (Piraten mit staatlicher Genehmigung) gekapert, und der Wissenschaftler starb auf der Insel Montserrat, während er auf sein Lösegeld wartete.

Aber das Ganze geht noch weiter: So was hätte Jefferson nicht abgehalten, weiter auf Meter und Kilogramm zu setzen. Jefferson bat die Franzosen um weitere Proben des Kupferstabs von 1 Meter Länge und der Kopie des Kilogramms, die 1795 geschickt wurden. Aber die Dinge hatten sich geändert.

Am 2. Januar 1794 wurde er als Außenminister der Vereinigten Staaten von Mitbegründer Edmund Randolph abgelöst. Randolph war weit weniger daran interessiert, dass sich die Regierung der Vereinigten Staaten in solche Dinge einmischte.

Erschwerend kam hinzu, dass sich die Beziehungen zwischen Amerika und Frankreich drastisch verschlechterten. Die französische Regierung war der Ansicht, dass die neu gegründete Nation die gallischen Streitkräfte im Ersten Koalitionskrieg gegen die Briten nicht ausreichend unterstützte. In einer Art Wutanfall weigerte sich die französische Regierung, Vertreter aus den USA zu der internationalen Versammlung in Paris 1798-99 einzuladen, auf der die ersten Standards für das metrische System festgelegt wurden.

Jeffersons Pläne wurden daher in den USA in einen Ausschuss verwiesen. Während das Repräsentantenhaus eine Form der Standardisierung auf der Grundlage von Pfund und Unzen billigte, lehnte der Senat eine Entscheidung in der Frage des Urmeters und Urkilogramms ab.

Im Jahr 1812 schaffte Napoleon die Durchsetzung des metrischen Systems in Frankreich faktisch ab. Damit fiel das Ganze in sich zusammen. Nach der Entmachtung Napoleons setzte sich das metrische System zwar zuerst in Frankreich, später in Europa (wegen der Industrialisierung) und später auf der Welt durch. Aber einige Länder, wie die USA, blieben in den alten Maßsystemen (der Steinzeit) verhaftet. Ein Wimpernschlag der Geschichte hätte die Welt verändert.


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