Der Rattenfänger von Hameln; ein wahrer Kern?

Ich denke, so gut wie jede Leserin und jeder Leser dieses Blogs hat schon einmal die Geschichte des "Rattenfängers von Hameln" gehört. Ist eine bekannte deutsche Sage, aufgeschrieben von den Gebrüdern Grimm. Nur eine Sage, oder hat die Geschichte einen wahren Kern?


Anzeige

Sage der Gebrüder Grimm

Mir war die Sage des des "Rattenfängers von Hameln" aus der Kindheit ein Begriff. Im Jahr 1284 ließ sich zu Hameln (eine Stadt an der Weser) ein wunderlicher Mann sehen. Er hatte einen Rock von vielfarbigem, buntem Tuch an, weshalb er Bundting soll geheißen haben, und gab sich für einen Rattenfänger aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und Ratten zu befreien.

Weil aber die Bürger den versprochenen Lohn verweigerten, kam der Mann am 26. Juni 1248 im Gewand eines Jägers zurück und entführte alle Kinder der Stadt Hamel mit seinem Flötenspiel. 

So weit die Aufzeichnungen der Gebrüder Grimm als Sage. Die Geschichte wurde in 30 Sprachen übersetzt und ist sogar im fernen Amerika bekannt. Die Stadt Hameln hat diese Seite zum Thema online gestellt. Aber gibt es vielleicht einen historischen Kern?

Gibt es einen historischen Kern?

Kürzlich bin ich durch folgenden Tweet darauf gestoßen, nochmals ein wenig genauer nachzuforschen.

Der Rattenfänger von Hameln

In diesem englischsprachigen Artikel wird kolportiert, dass die Sage einen wahren Kern habe. Die deutsche Wikipedia weiß dazu mehr und vermutet, dass die Gebrüder Grimm zwei Sagen kombinierten: Eine Rattenvertreibungssage und eine Kinderauszugssage. Dass Ratten auf eine Flöte reagieren, ist unwahrscheinlich – aber Ratten stellten im Mittelalter ein Problem in Städten dar.

Der Kern der "Kinderentführung" scheint aber einen historischen Hintergrund zu haben, der in der sogenannten Ostkonolisation begründet ist. Im Osten (baltische Staaten, Siebenbürgen, Mähren, Pommern etc.) fehlten im Mittelalter Arbeitskräfte. Diese wurden dann aus den deutschen Provinzen abgeworben und wanderten in die Zielländern aus.


Werbung

Die "Kinder von Hameln" dürften Hamelner Jungbürger gewesen sein, die von adligen Territorialherren oder Lokatoren zur Siedlung im Osten angeworben wurden, heißt es in der Wikipedia. Unterlegt wird dies durch die Angewohnheit der Auswanderer, die Orte in der neuen Heimat nach dem Herkunftsort zu benennen.

Vor allem im heutigen Bundesland Brandenburg finden sich in den Regionen Prignitz und Uckermark Ortsnamen aus dem Weserbergland um Hameln. So findet sich beispielsweise der Name des in der Nähe von Hameln gelegenen Ortes Hamelspringe ("Ort, wo die Hamel entspringt") als Hammelspring im Landkreis Uckermark wieder, wo für diese Benennung kein lokaler Anlass erkennbar ist. Ebenso dürfte der Name der Grafschaft Spiegelberg im Weserbergland zur Benennung des Ortes Groß Spiegelberg bei Pasewalk geführt haben, weiß die Wikipedia.

Unabhängig von den Ortsnamen fanden der Troppauer Stadtarchivar Wolfgang Wann und der Hamelner Heimatforscher Heinrich Spanuth heraus, dass in Olmütz (Nordmähren) in der damaligen Zeit dieselben Familiennamen wie im Hamelner Bürgerregister verzeichnet sind (so zum Beispiel HamelHämlerHamlinusLeistFargelKetteler und andere).

Die wahrscheinlichste Deutung der Sage ist, dass ein Werber in der Blütezeit der Ostkolonisation (13. Jahrhundert) als "Rattenfänger" stilisiert wurde, weil er eine ganze Generation junger Erwachsener – wegen der Perspektivlosigkeit in der alten Heimat (Stichwort Zünftesystem) – zur Auswanderung in den Osten animierte. Details lassen sich in der Wikipedia nachlesen – wo auch andere Theorien aufgeführt sind.

 


Cookies blockieren entzieht uns die Finanzierung: Cookie-Einstellungen

Anzeige


Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Der Rattenfänger von Hameln; ein wahrer Kern?

  1. Info sagt:

    Netter Beitrag.
    …Inspiration Aufgrund der aktuellen globalen Notstände – Zwang, andererseits einschmeichelnd? ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert