"Aufregerthema" auf Focus Online "Schlagersänger Micki Krause ist bei der Künstlersozialkasse versichert, kann mit 57 Jahren in Rente und bekommt fette Kohle", während normale Arbeitnehmer bis 67 schuften müssen. Ist zwar sachlich falsch, aber so etwas kommt dann bei der Leserschaft "ganz schräg". Kurzer Blick was wirklich Sache ist.
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Ich nehme mal ein spezielles Thema hier im Blog mit auf, das mir zu Ostern unter die Augen gekommen ist. Es geht um Fehlinformationen in Medien und Reaktionen der Leserschaft – ein Lehrstück, wie Falschinformationen Stimmungen befeuern.
Worum geht es?
Die Rente ist auch bei Künstlern ein Thema. Der auf Mallorca lebende Schlagersänger Jürgen Drews (78 Jahre) hat mal verlauten lassen, dass er nur eine sehr geringe gesetzliche Rente von der deutschen Rentenversicherung bezieht. So weit so normal, ich gehe davon aus, dass Drews anderweitige Einnahmequellen besitzt.
Nun gibt es einen weiteren Schlagersänger namens Mickie Krause, wohl bis Ende 2022 auch auf Mallorca unterwegs. So weit, so normal. Zum 30. März 2024 gab es wohl beim Express als auch bei Focus Online einen Artikel "Jürgen Drews klagt über Mini-Rente: Mickie Krause stellt Schlager-Kollegen bloß". Ist schon ein reißerischer Titel, mit Untertitel "Wenn man nicht in die Rentenkasse einzahlt".
Bringt Klicks der Online-Leserschaft. Die Kernaussage aus dem Artikel, die dann auch Aufregerkommentare provozierte, lautetet:
- Eine niedrige Rente kann ausnahmslos jeden treffen. Beispiel sei Schlagerstar Jürgen Drews (78), der sich zuletzt öffentlich über sein geringes Renten-Geld beklagte. Bereits im Jahr 2020 habe Drews offenbart, dass ihm monatlich weniger als 200 Euro zustehen würden.
- Ballermann-Star Mickie Krause (53) könne die Beschwerde nicht nachvollziehen – und habe öffentlich gegen Schlager-Kollege Drews gewettert. Mickie Krause habe seinem Ärger mit einer Aussage: "Nur mal kurz zur Info: Wenn man nicht in die Rentenkasse einzahlt, kann man natürlich auch keine Rente erwarten!" Luft gemacht.
Ob sich Drews wirklich beklagt hat und ob Krause seinem Ärger Luft gemacht habe, sei dahin gestellt. Mir sind die Leserkommentare zum Focus-Online-Artikel ins Auge gesprungen und ich habe mal angefangen, genauer nachzuschauen.
Falsche Aussage der Medien
Im Focus Online-Artikel sorgte dann folgende Passage für arge Aufregung bei der Leserschaft. Mickie Krause wird folgendermaßen zitiert:
Deshalb haben die Menschen, die seit vielen Jahren in die Rentenkasse einzahlen, auch zu Recht eine höhere Rente als Drews und Co.!
Ich bin seit 1998 in der Künstlersozialkasse (das kennt Jürgen gar nicht) und ich werde 2027 eine gute Rente beziehen.
Während der erste Absatz eine Binsenweisheit ist, wer viel einzahlt in die Rentenversicherung, bekommt auch später eine höhere Rente, hat der zweite Absatz einige Leser nachrechnen und dann wütend kommentieren lassen.
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Mickie Krause ist 1970 geboren, wäre also im Jahr 2027 gerade einmal 57 Jahre alt. Dank "Künstlersozialkasse könnte er mit 57 in Rente gehen und könnte auch auf eine gute Rente hoffen". Eine typische Leserreaktion auf diese Aussage lautet:
Ich hätte auch in die Künstler-Sozialkasse einzahlen sollen. Rente mit 60 wäre nicht schlecht.
Da falsche Kasse muss ich noch 4 Jahre wackeln um mit 67, hoffentlich, paar Euro zu bekommen.
Tja, wäre natürlich ein Schlaraffenland, mit 57 oder 60 Jahren in gesetzliche Rente und üppig kassieren. Wenn es denn so stimmen würde – das Ganze ist ein Lehrstück, wie Fehlinformationen zu Fehlreaktionen führen.
Was schrieb Mickie Krause?
Ich habe mir dann die Mühe gemacht, und den Originalpost von Mickie Krause auf Facebook herausgesucht.
Im Originaltext schrieb Mickie Krause aber folgendes:
Nur mal kurz zur Info: Wenn man nicht in die Rentenkasse einzahlt, kann man natürlich auch keine Rente erwarten! Deshalb haben die Menschen, die seit vielen Jahren in die Rentenkasse einzahlen, auch zu Recht eine höhere Rente als Drews und Co.! Ich bin seit 1998 in der Künstlersozialkasse (das kennt Jürgen gar nicht) und ich werde 2037 eine gute Rente beziehen!
Moment mal! Der Kölner Express und auch Focus Online berichteten in der Diskussion um die "Mini-Rente von Schlagersänger Jürgen Drews" dass der Schlagersänger Mickie Krause 2027 in Rente geht. Aber Mickie Krause nennt 2037 – also ein Datum, dass genau 10 Jahre später liegt. Dann wäre Krause 67 Jahre alt, und dieses Alter entspricht der aktuell geltenden Regelaltersgrenze für den gesetzlichen Ruhestand.
Ist, soweit ich es auflösen kann, dumm gelaufen. Es war ursprünglich wohl ein Tippfehler von Mickie Krause, den die Redaktion der genannten Medien ohne Sachkenntnis und ohne weiter zu hinterfragen übernommen hat. Mickie Krause scheint es auf Facebook korrigiert zu haben, in den Artikeln blieb 2027 stehen, und das fehlerhafte Thema war in der Welt. Der erste "Leseraufreger" ist mit den Fakten also schon mal abgeräumt. Mickie Krause geht genau dann in den Regel-Ruhestand, wenn dies auch andere gesetzlich in Deutschland Rentenversicherte tun.
Irrtümer um die Künstlersozialkasse
Kommen wir noch zum letzten Irrtum, den ich mal aufklären möchte. Aufhänger für Mickie Krause war der Renten-Check von schlager.de, wo der neugierige Leser erfährt, wie wenig gesetzliche Rente unsere Schlagerstars "von früher" bekommen.
Weil viele Leute nichts mit der "Künstlersozialkasse" (KSK) anfangen können, ich aber seit über 30 Jahren dort Mitglied bin, noch ein wenig praktische Aufklärung.
Die Künstlersozialkasse (KSK) ist für die Versicherungsveranlagung und die Beitragserhebung der Künstlersozialversicherung zuständig. Gegründet wurde die KSK 1983, wie man dem verlinkten Wikipedia-Artikel entnehmen kann, und ist Teil der gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland.
Die KSK ermöglicht freischaffenden Künstlern und Publizisten einen Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Im Gegensatz zu freiwillig versicherten Selbständigen zahlen sie dort nur einen dem Arbeitnehmeranteil entsprechenden Beitrag auf Basis der von ihnen für das folgende Jahr geschätzten Gewinns aus künstlerischer und/oder publizistischer Arbeit.
Es handelt sich übrigens um eine Mitgliedschaft, bei der die Beiträge pflichtweise in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung eingezogen werden. Dahinter stand die Absicht, den unregelmäßigen Auftragslagen, schwankenden Honoraren und schlechter Absicherung ausgesetzten Kreativ-Freiberuflern eine gesetzlich garantierte Kranken- und Rentenversicherung anzubieten.
Mit anderen Worten: Die in der KSK versicherten Künstler zahlen wie jeder Arbeitnehmer in Deutschland in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme ein, sind dadurch krankenversichert, Mitglied der Pflegeversicherung und bekommen später eine gesetzliche Rente, abhängig von den gezahlten Beiträgen.
Finanziert wird dieser von der KSK übernommene Arbeitgeberanteil übrigens durch die Künstlersozialabgabe und per Zuschuss durch den Gesetzgeber. Dass Schlagerstars wie Jürgen Drews, Mary Roos etc. wenig gesetzliche Rente bekommen, ist meiner Meinung nach dem Umstand geschuldet, dass diese Künstler selbstständig waren, und in dieser Zeit nicht in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben oder erst seit dem Gründungsjahr 1983 in der Künstlersozialkasse waren und dann auch nur geringe Beiträge gezahlt haben.
PS: Und wenn Du in Rente bist und weiterhin Einnahmen als Künstler über 3.900 Euro im Jahr hast, zahlst Du auch weiter über die KSK an die Kranken- und Pflegeversicherung.
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