Die "Sternenkarte" der Sumerer – moderner Humbug

Es war ein Facebook-Post eines "Alte Welten" genannten Benutzerkontos, der mir bei einer Anmeldung gezeigt wurde und mich neugierig machte. Der Plot: "Vor über 6.000 Jahren verfügte eine mysteriöse Zivilisation über detaillierte Karten unseres Sonnensystems …". Leider ist die Zivilisation untergegangen und mit ihnen das Wissen – die waren weiter als wir heute sind. Hat natürlich meine Neugier geweckt …


Anzeige

Ich habe den Abriss nachfolgend mal als Screenshot herausgezogen – der Text findet sich in recht ähnlicher Form in diesem Beitrag.

Angebliche Sternenkarte der Sumerer

Es wird behauptet, dass die Sumerer eine Zeichnung aus Ton schufen, und eine solche Zeichnung zeige, dass verstanden wurde, dass die Sonne ein Stern im Zentrum des Sonnensystems ist und dass sich andere Planeten um sie drehen. Sie hätten sogar die Umlaufbahnen und Positionen der Planeten genau skizziert. Dann geht es noch um Zeichnungen von DNA und medizinischen Symbolen. Es wird suggeriert, dass die alten Sumerer ein detailliertes Verständnis des heutigen Wissens aus Astronomie, Biologie und Medizin gehabt hätten.

Donnerwetter – so etwas macht mich immer neugierig, zumal der obige Post noch ein schönes Bild zur Untermauerung anfügte. Nun ist natürlich bekannt, dass die Sumer über gutes astronomisches Wissen verfügten – und auch die alten Ägypter hatten einiges anatomisches Wissen über den menschlichen Körper.

Laut Wikipedia waren im Altertum nur fünf Planeten: Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn bekannt. Die Erde war nicht als Planet eingestuft. Dann gab es noch Sonne und Mond. Ich habe auf Focus Online diesen Artikel aus 2013 gefunden, der die alte sumerische Schöpfungsgeschichte aufgreift, die von 10 oder 11 Planeten berichtet. Auf einem dieser Planeten sollen Fremdwesen wohnen.

Ein herrliches Thema für Esoteriker und Anhänger der Prä-Astronautik – die diese Geschichte aufgriffen und als bare Münze vom Wissen der alten Zivilisationen verbreiteten. Das Ganze hat nur den Haken, dass unsere Sonnensystem nur acht größere Planeten aufweist – Pluto als früher neunter Planet hat diesen Status inzwischen verloren. Nach dem zehnten Planeten – Planet X genannt – wird immer noch gesucht.

Um es kurz zu machen: Die obige Geschichte aus Facebook ist eine Mär – schön zu lesen, aber Schall und Rauch. Ich habe etwas gesucht und bin fast direkt auf den Blog-Beitrag Das „sumerische Rollsiegel" des Zecharia Sitchin und das Rätsel um die 4.500 Jahre alte Abbildung unseres Sonnensystems.  von Lars Fischinger gestoßen.


Anzeige

Fischinger zeigt einen Abdruck, den das betreffende Rollsiegel auf einer Tontafel hinterlassen hat. Da ist dann nichts mehr von präzisen Karten des Sonnensystems zu sehen. Sondern ich erkenne eine Tafel mit einer stilisierten Sonne und 11 Punkten drum herum. Das können Planeten aber auch Monde sein.

In seiner sehr schönen Analyse geht Fischinger auf die Entstehung der "Legende" durch den Vertreter der Prä-Astronautik, Zecharia Sitchin, ein, der 1976 die Thesen in einem Buch präsentierte. War die Zeit, als auch Erich von Däniken seine Bücher mit Theorien über Prä-Astronautik publizierte.

Natürlich ist es legitim, Fragen in den Raum zu stellen – aber viele dieser Fragen wurden inzwischen beantwortet. Bezüglich des sumerischen Rollsiegels gibt es eine interessante Erkenntnis, die Fischinger im oben verlinkten Beitrag offen legt.

Auf Grund zahlreicher Anfragen sah sich Dr. Joachim Marzahn, vom Vorderasiatischen Museum, 1995 veranlasst, in der Astronomie-Zeitschrift "Sterne und Weltraum" auf das Thema einzugehen. Untersuchungen der Tontafel ergaben, dass die Sonne von insgesamt 15 Punkten umgeben ist (einige sind auf den Fotos nicht zu sehen). Minutiös legt Fischinger offen, dass die sumerische Sternkarte keine sumerische Sternkarte sein kann und klärt auch andere Missverständnisse auf. Immer wieder herrlich zu lesen, wenn phantastische Geschichten, die sich sehr schön lesen und zur Fantasie anregen, im Licht des gegenwärtigen Wissens gespiegelt werden und dann zerstieben.


Anzeige

Dieser Beitrag wurde unter Wissenschaft abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert