Am 19. November 2017 ist der Ingenieur Lutz Kayser im Alter von 78 Jahren verstorben. Hätte mir jetzt nichts gesagt, wenn nicht irgendwann der Begriff OTRAG gefallen wäre. Und da klingelte bei mir etwas im Hinterkopf: 70er Jahre, als junger Student, las ich vom Konzept, billige Raketen zu bauen. Ich war Feuer und Flamme, habe dann das Thema aber aus den Augen verloren. Hier eine kurze Replik auf Lutz Kayser und seine OTRAG, auch wenn vermutlich kaum einer meiner Blog-Leser/innen etwas mit diesen beiden Namen anfangen kann.
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Lutz Kayser war Diplom-Ingenieur – wie meine Wenigkeit – der in den 70er Jahren am Plan arbeitete, billigen Raketen zu bauen. Als Treibstoff waren Dieselöl und Salpetersäure vorgesehen. Die Tanks waren aus Stahl (aus dem Pipelinbau) und sollten durch Druck den Treibstoff in die Düsen befördern. Die Idee von Kayser war, eine einfache und billige Rakete mit einem Triebwerk zu bauen und dann diese Einheiten zu bündeln. Vier, acht, 20 oder mehr Einheiten gebündelt, hätten, nach Kaysers Plänen, auch große Lasten in den Weltraum befördern können. Durch die Massenfertigung der wenigen Komponenten sollte die Rakete preiswerter als bisherige Modelle werden.
Heute wird dieses Konzept von der US-Firma Space X für die wiederverwendbaren Raketen teilweise genutzt. Aber in den 70er Jahren des vorherigen Jahrtausends war das alles extrem neu. Ich erinnere mich, dass ich mit wachsender Begeisterung in der Bibliothek der Fachhochschule Berichte über Kaysers Raketenpläne gelesen habe. Kayser war bereits mit 17 Jahren ein Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt an der Universität Stuttgart. Dann gab es die 60er und frühen 70er Jahre, als Europa eine eigene Rakete wollte. Die Europa-Rakete scheiterte jedoch kläglich an politischen und technischen Problemen (Konstruktionsfehler). Erst die Ariane konnte 1979 erfolgreich geflogen werden.
Das war die Zeit, in der Kayser versuchte, seine Vorstellungen zu verwirklichen. Um die Rakete zu bauen, wurde die Firma OTRAG (Orbital Transport und Raketen AG) gegründet. Diese sammelte von Investoren das notwendige Kapital ein und hatte auch ein Startgelände in Zaire erworben. Technische und politische Schwierigkeiten verhinderten aber den Erfolg des Projekts.
Folgendes Video zeigt den Fehlstart einer solchen Rakete in Zaire (es muss wohl der 3. Start gewesen sein).
(Quelle: YouTube)
Informationen über die OTRAG-Rakete finden sich in der OTRAG-Zeitschrift (PDF-Dokument) sowie bei Wikipedia. Eine Chronologie der OTRAG und der sich ergebenden Schwierigkeiten finden sich in diesem Artikel. Bernd Leitenberger hat hier einige Informationen mit interessanten technischen Details über die OTRAG-Rakete zusammen getragen.
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Die Information zum Tod von Lutz Kayser stammt von seinem Enkel Lin Kayser, der einen (englischsprachigen) Blog-Beitrag veröffentlichte. Ein sehr lesenswerter Artikel, der die damaligen Begleitumstände wieder aufleben lässt, haben die Kollegen von Golem hier veröffentlicht. Für mich ein interessanter Rückblick in Teile meiner Jugend, wo das Schicksal merkwürdige Wege vorgab. Nach meinem ersten Job in der Luft- und Raumfahrttechnik als junger Ingenieur (wo ich zu den Sternen wollte) habe ich aber einen anderen Weg (siehe auch hier, hier, hier und hier) genommen. Hätte aber auch anders kommen können und ich wäre möglicherweise im Bereich der Raumfahrt hängen geblieben.
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Danke, Günni, dass du meinem Vater diesen Eintrag gewidmet hast.
Es ist schön, dass sich jemand an ihn erinnert.
Herzliche Grüße
K. Kayser
Immer gerne – werden aber mit der Zeit weniger Leute werden, die mit der OTRAG noch was anfangen können.
Ich weiss nicht wer Guenni ist,ich kann mich aber erinnern,mit Lutz's erster Frau(Sie war Spanierin,ich kann mich trotz guter Bekanntschaft mit ihr und Clifton Harrison nicht mehr an ihren Vornahmen Erinnerungen)und ihrem neugeborenen Sohn in Concorde von NY nach Paris geflogen zu sein und beide bei Lutz abgeliefert zu haben!
Hat Lutz Kayser etwas mit der späteren Raumfahrtfirma Kayser-Threde zu tun?
Imho nein – mag mich aber irren.
Hallo, ich kannte Lutz als Junge in der Zuckerfabrik Stuttgart Bad Cannstatt. Sein Vater war Direktor Kayser, mein Vater Arbeiter. Kontakt hatte ich immer wieder lose. Ein Freund von mir Dietmar May, sein Vater war Chauffeur des Direktoriums. Wenn ich mich richtig erinnere, hat mal die Villa, wo Direktor Lutz wohnte ( aus Backsteinen erbaut ) auf der Rückseite eine schwarze Färbung durch ein Feuer erhalten. Lutz musste darauf in den nahen Steinbruch Lauster seine Versuche starten. Die Steuerpolitik der BRD mit den immensen Abschreibungen zu Lasten der normalen Steuerzahler, war der Geldesel von Lutz. Die selbstständigen Zahnärzte etc. waren wild darauf, Papiere zur Steuervermeidung u Abschreibungen zu bekommen. DIeses Metier beherrschte u beflügelte seine Tätigkeit enorm. In punkto Geld einsammeln u sein extravaganter Lebensstil beeinflusste den Flug seiner Raketen erheblich.
Gruss
….keep the dream alive !
in grosser Anerkennung an einen echten Visionär, der leider etwas zu früh geboren wurde. Ich bin selbst Ingenieur und habe als Jugendlicher auch Raketen gebaut, heute bauen wir erfolgreich (leider nur noch) Klimaanlagen….
Der große Mann eilt seiner Zeit voraus,
der Kluge kommt ihr nach auf allen Wegen.
Der Schlaue beutet sie gehörig aus,
der Dummkopf stellt sich ihr entgegen.
Eduard von Bauernfeld