Die gesetzlichen Krankenkassen sind besser als ihr Ruf – und schneiden sogar in vielen Punkten besser als private Krankenversicherungen ab. Das ist das Ergebnis einer kürzlich durch geführten Studie.
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Beamte und Selbständige sind ja häufiger privat krankenversichert. Landläufig herrscht ja die Meinung vor, dass diese Versicherungsart der gesetzlichen Krankenversicherung haushoch überlegen ist. Preisgünstiger in den Prämien, bevorzugte Behandlung bei Ärzten und auch bessere Leitungen. Aber stimmt das wirklich?
(Quelle: Pexels/Pixabay CC0 Lizenz)
Ältere Privatversicherte kennen das Leid der steigenden Beiträge. Ich hatte einige Blog-Beiträge dazu (siehe Links am Artikelende). Und die Chefarztbehandlung kann eher Fluch als Segen sein, wenn der Versicherte 'tot behandelt wird'. Und was ist mit dem Rest? Sind die Privaten wirklich besser als die Gesetzlichen? Die Bundestagesfraktion der Grünen wollte es genauer wissen und hat eine Studie in Auftrag gegeben. Durchgeführt wurde die Studie vom Institut PremiumCircle, die 103 Mindestkriterien für eine Krankenversicherung definierte. Ganze 100 dieser Kriterien sind Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die Ergebnisse
Die gesetzliche Krankenversicherung bietet eine gute Versorgung – auch im Vergleich zu den besten Tarif, schreiben die Grünen hier und bescheinigen der PKV einen lückenhaften Schutz. Und weiter:
Die wiederkehrende Behauptung, die gesetzliche Krankenversicherung sei nur zweitklassig, wird mit dieser Untersuchung klar widerlegt. Etliche Anbieter privater Krankenversicherung können wiederum selbst in ihren leistungsstärksten und auch teuersten Tarifen nicht einmal elementare Leistungen vertraglich garantieren. Auch das zeigt die Studie.
Der beste verglichene Tarif einer privaten Krankenversicherung erreicht 99 von den in der Studie definierten 103 Kriterien. Der schlechteste dieser teuersten Tarife garantiert hingegen nur 32 Kriterien. Im Durchschnitt erfüllen die Tarife der privaten Krankenversicherungen etwa 72 Prozent der überprüften Leistungskriterien.
Die GKV bietet bessere Leistungen als die private Krankenversicherung (PKV). Denn laut Studie werden bei der PKV im Schnitt mehr als ein Viertel der als unverzichtbar definierten Mindestanforderungen nicht erfüllt – in der GKV sind es nur 3 %. Die Privaten 'schwächeln' beispielsweise:
- bei Kuren und Rehabilitation
- häuslicher Krankenpflege und Palliativversorgung
- die Versorgung von Kindern mit Behinderungen
- sowie bei Entwicklungsstörungen oder psychischen Erkrankungen
- bei der Psychotherapie und bei Impfungen
- sowie bei Krankentransporten
im Vergleich zu den gesetzlichen Krankenkassen. Wer einen Bänderriss erleidet, bekommt nach einer Operation bei den PKVs nicht unbedingt eine Reha bezahlt. Lediglich bei Terminen haben PKV-Versicherte einen Vorteil gegenüber der GKV.
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Vor allem Versicherte mit geringem Einkommen oder niedrigem Bildungsgrad, ältere Versicherte sowie besonders vulnerable Patientinnen und Patienten (etwa solche mit bestimmten chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder mit palliativem Behandlungsbedarf) sind von solchen Lücken betroffen.
Gerade diese Personen sind auf qualitativ hochwertige Leistungen angewiesen und müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Krankenversicherung ihnen den nötigen Schutz bietet. Das ist umso bedenklicher, als die Mehrheit der PKV-Versicherten in deutlich leistungsschwächeren, günstigeren Tarifen versichert sind als sie in der Studie verglichen wurden.
Keine Wahlfreiheit in der PKV
Augenfällig ist, laut Studie, das starke Qualitätsgefälle innerhalb der leistungsstärksten Tarife der privaten Krankenversicherung. Die Studie bestätigt, dass die private Krankenversicherung praktisch eine wettbewerbsfreie Zone ist. Versicherte haben keine Wahlfreiheit. Wenn sie sich einmal für ein Unternehmen entschieden haben, sind sie dort ein Leben lang gefangen. Sie können nur um den Verlust großer Teile ihrer Altersrückstellungen zu einer anderen Versicherung wechseln.
Auch in der GKV gäbe es Verbesserungsbedarf
Die Grünen meinen: Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung steht nicht alles zum Besten. In den letzten Jahrzehnten wurde wiederholt durch den Gesetzgeber in den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung eingegriffen. Gerade ältere chronisch Erkrankte und Menschen mit Behinderungen werden so durch Zuzahlungen, Selbstzahlungen oder zum Beispiel Mengenbegrenzungen bei Heil- und Hilfsmitteln belastet.
Bürgerversicherung als Zukunftsmodell?
Hintergrund der Studie war das Projekt der Bürgerversicherung, welches von den Grünen gefordert wird. Die gesetzliche Krankenversicherung braucht, nach Aussage der Grünen, für die Zukunft eine stabilere finanzielle Basis. Das heutige in PKV und GKV gespaltene Krankenversicherungssystem ist doppelt unfair: Es ist unsolidarisch, weil nicht alle Versicherten zur Finanzierung beitragen. Und es ist ungerecht, weil nicht alle Versicherten qualitativ hochwertig versorgt werden. Unser Gesundheitswesen benötigt eine verlässlichere finanzielle Grundlage.
Von der Bürgerversicherung versprechen sich die Grünen eine Wahlfreiheit und dass sich alle unabhängig davon, wo sie versichert sind, solidarisch an der Finanzierung beteiligen. Die Grünen wollen Wahlfreiheit und Wechselmöglichkeiten auch für privat Versicherte. Alle Versicherten sollen jederzeit auch ihre Private Krankenversicherung wechseln können – ohne dabei ihre Altersrückstellung zu verlieren.
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