Die Vorder- und Rückseite unseres Erdmondes sieht unterschiedlich aus. Während auf der Vorderseite große Lavabecken existieren, gibt es auf der Rückseite nur Krater. Wissenschaftler glauben diese Unterschiede durch den Einschlag eines riesigen Asteroiden am Südpol des Mondes vor 4,3 Milliarden Jahren erklären zu können.
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Ich bin über nachfolgenden Tweet erneut auf diesen Sachverhalt aufmerksam geworden – hatte den aber bereits vor einiger Zeit in diesem deutschsprachigen Artikel gelesen.
Es geht um eines der Rätsel des Erdmondes, denn dessen Kraterverteilung ist nicht gleichmäßig, wie man annehmen könnte. Auf der erdzugewandten Vorderseite existieren große Lavabecken, die durch Vulkanismus entstanden sein müssen. Die Lava hat eventuell vorhandene Krater eingeebnet. Auf der Mondrückseite fehlen diese Lavabecken, während dort die Oberfläche durch Krater übersäht ist.
Wissenschaftler vermuteten seit langem, dass sich die Mondmaare durch eine gewaltige Kollision eines großen Asteroiden mit dem Mond vor etwa 4,3 Milliarden Jahren gebildet haben. Bei dieser Kollision entstand das Südpol-Aitken-Becken (SPA), ein riesiger Krater mit einer maximalen Breite von rund 2.574 Kilometern und einer maximalen Tiefe von 8,2 Kilometern. Das ist der zweitgrößte bestätigte Einschlagkrater im Sonnensystem. Bislang gab es aber keine Erklärung, warum nur die erdzugewandte Seite des Mondes Lavafelder aufweist.
Eine neue Studie zeigt an Hand von Simulationen, dass der gewaltige Einschlag des riesigen Asteroiden am Südpol des Mondes, von dem der heutige Aitken-Krater zeugt, ein einzigartiges Phänomen im Mantel des Mondes, der Magmaschicht unter der Kruste, hervorgerufen hat, und das Ganze sich nur auf die der Erde zugewandte Seite auswirkte. Matt Jones von der Brown University und seine Kollegen erklären sich das Ganze durch Schmelzprozesse.
"Wir wissen, dass große Einschläge wie der, bei dem SPA entstanden ist, eine Menge Hitze erzeugen", sagt Matt Jones, Doktorand an der Brown University und Hauptautor der Studie. Mit SPA ist "South Pole–Aitken", also der Aitken-Krater am Südpol des Mondes gemeint. "Die Frage ist, wie diese Hitze die Dynamik im Inneren des Mondes beeinflusst. Wir zeigen, dass unter allen plausiblen Bedingungen, die zur Zeit der Entstehung von SPA herrschten, die wärmeproduzierenden Elemente auf der nahen Seite konzentriert wurden. Wir gehen davon aus, dass dies zur Mantelschmelze beigetragen hat, die zu den Lavaströmen an der Oberfläche geführt hat."
Also in Kurzform: Der Einschlag des riesigen (ca. 100 km großen) Asteroiden am Südpol, der den 2.000 km großen Aitken-Krater erzeugte, verursachte eine thermische Anomalie in den Lavaströmen im Inneren des Mondes, die die Entwicklung des Mondinneren hunderte Millionen Jahre lang prägte. "Dieser Hitzeschwall löste Strömungen im Mondmantel aus, die KREEP- und titanreiche Magma-Kumulate mitrissen und zur uns zugewandten Mondseite schwemmten", erklären Jones und seine Kollegen. Die Minerale und Elemente seien diesen Strömungen gefolgt wie ein Surfer der Welle. Den Simulationen zufolge hätten die vom Südpol-Einschlag verursachte Hitze und die folgende Mantelkonvektion ausgereicht, um auch die Elementanreicherungen im KREEP-Terrain und dem lunaren Basalt der Mare zu erklären.
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Als Folge dieser Prozesse dürfte, so die Vermutung, auch der Vulkanismus auf der Vorderseite des Mondes ausgelöst worden sein. "Die ersten Marebasalte der uns zugewandten Mondseite brachen rund 200 Millionen Jahre nach dem Einschlag aus, etwa 500 bis 700 Millionen Jahre später folgte dann die intensivste Phase des Mare-Vulkanismus." heißt es von den Forschern. Die Details sind in Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abm8475 veröffentlicht worden.
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