Es ist eine spannende Entwicklung, die aktuell noch im Stadium eines Tierversuchs steckt. Forscher haben eine Substanz namens NMT5 an Hamstern auf ihre Wirksamkeit gegen Infektionen durch Sars-CoV-2-Viren getestet. Die Substanz ist eine modifizierte Form eines längst bekannten Alzheimer-Medikaments und verhindert, dass sich die Viren an die ACE2-Rezeptoren andocken können. Das Virus kann also nicht mehr in die Zelle eindringen und keine Infektion mehr auslösen.
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Die Arbeit des Forschers Stuart Lipton und dessen Team vom Scripps Research Institute wurde am 29. September 2022 in Nature veröffentlicht und eröffnet gänzlich neue Ansätze. Normalerweise dockt das SARS-CoV-2 an den menschlichen ACE2-Rezeptor der Zellen an und dringt dann in die Zellen ein, um sich zu reproduzieren und die Infektion auszulösen.
Das in der Forschungsarbeit beschriebene Medikament NMT5 beschichtet nun das SARS-CoV-2-Virus mit Chemikalien, die den menschlichen ACE2-Rezeptor vorübergehend verändern können – heißt es in dieser englischsprachigen Mitteilung. Dies verhindert dass das SARS-CoV-2-Virus ab den ACE2-Rezeptor der Zelle andocken kann. Das Virus kann also nicht in die Zelle eindringen und sich vermehren, vernichtet sich also selbst. Menschliche Zellen, in deren Nähe kein Virus vorhanden ist, verfügen jedoch über einen funktionierenden ACE2-Rezeptor. Das ist für Blutdruck-Senker relevant – die Forscher haben bei Versuchen keine Beeinflussung des Blutdrucks feststellen können.
"Das Tolle an diesem Medikament ist, dass wir das Virus tatsächlich gegen sich selbst wenden", sagt der Hauptautor Stuart Lipton, MD, PhD, Step Family Endowed Chair und Scripps Research Professor. "Wir rüsten es mit kleinen molekularen Sprengköpfen aus, die es daran hindern, unsere Zellen zu infizieren; das ist unsere Rache am Virus."
Vor der COVID-19-Pandemie hatten Lipton und seine Kollegen lange Zeit Variationen des Medikaments Memantin untersucht. Lipton hatte das Medikment in den 1990er Jahren zur Behandlung neurologischer Krankheiten wie Alzheimer entwickelt und patentiert. Während Memantin ursprünglich ein Grippemittel war, das in den 1960er Jahren eingesetzt wurde, begannen Kliniker, es für weitere Krankheiten zu untersuchen. Dann man hatte festgestellt, dass Mementin die Symptome einer Frau mit Parkinson verbessert hatte, als sie das Medikament gegen die Grippe einnahm.
"Mein Team hatte diese antiviralen Medikamente für das Gehirn verbessert, und als COVID-19 auftauchte, fragten wir uns, ob wir dabei auch bessere antivirale Medikamente entwickelt hatten", sagt Lipton. Lipton und sein Team testeten eine Reihe an Verbindungen, die in ihrer Gesamtstruktur dem Memantin ähneln, aber mit zusätzlichen pharmakologischen Sprengköpfen versehen sind.
Sie stellten fest, dass der Wirkstoffkandidat mit der Bezeichnung NMT5 zwei Schlüsseleigenschaften aufweist: Es konnte eine Pore auf der Oberfläche von SARS-CoV-2 erkennen und sich daran anlagern, und es konnte das menschliche ACE2 chemisch modifizieren, indem es ein Fragment von Nitroglyzerin als Sprengkopf verwendete. Die Gruppe erkannte, dass dies das Virus in ein Transportmittel für sein eigenes Ableben verwandeln könnte.
In der neuen Arbeit hat Liptons Gruppe NMT5 sowohl in isolierten Zellen als auch in Tieren charakterisiert und getestet. Sie zeigten, wie NMT5 sich fest an SARS-CoV-2-Viruspartikel anlagert, während sich die Viren durch den Körper bewegen. Dann enthüllten sie die Details, wie das Medikament eine Chemikalie (ähnlich wie Nitroglycerin) an bestimmte Moleküle anlagert, wenn es nahe genug herankommt. Wenn das Virus in die Nähe von ACE2 gelangt, um eine Zelle zu infizieren, fügt NMT5 dem Rezeptor eine "Nitrogruppe" hinzu. Wenn ACE2 auf diese Weise verändert wird, verschiebt sich seine Struktur vorübergehend – für etwa 12 Stunden -, so dass das SARS-CoV-2-Virus nicht mehr daran binden und eine Infektion verursachen kann.
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"Das Schöne daran ist, dass die Verfügbarkeit von ACE2 nur lokal reduziert wird, wenn das Virus auf es zukommt", sagt Lipton. "Es schaltet nicht die gesamte Funktion von ACE2 an anderen Stellen im Körper aus, so dass die normale Funktion dieses Proteins erhalten bleibt."
In Zellkulturexperimenten, in denen getestet wurde, wie gut die Omicron-Variante von SARS-CoV-2 an menschliche ACE2-Rezeptoren andocken kann, verhinderte das Medikament zu 95 % die Bindung des Virus. Bei Hamstern, die an COVID-19 erkrankt waren, verringerte NMT5 die Virusmenge um das Hundertfache, beseitigte die Schädigung der Blutgefäße in der Lunge der Tiere und linderte die Entzündung. Das Medikament erwies sich auch gegen fast ein Dutzend anderer Varianten von COVID-19 als wirksam, darunter Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Stämme.
Die meisten antiviralen Medikamente wirken, indem sie einen Teil des Virus direkt blockieren, was das Virus unter Druck setzen kann, eine Resistenz gegen das Medikament zu entwickeln. Da NMT5 das Virus nur als Überträger nutzt, halten die Forscher es für wahrscheinlich, dass das Medikament auch gegen viele andere Varianten von SARS-CoV-2 wirksam ist.
"Wir gehen davon aus, dass dieser Wirkstoff auch dann noch wirksam ist, wenn neue Varianten auftauchen, weil er nicht auf Teile des Virus angewiesen ist, die häufig mutieren", sagt Chang-Ki Oh, ein leitender Wissenschaftler und Erstautor der neuen Studie.
Obwohl sie den Wirkstoff bisher nur in Tiermodellen untersucht haben, stellt das Team nun eine Version des Medikaments her, um es für den Einsatz beim Menschen zu testen, während es gleichzeitig weitere Sicherheits- und Wirksamkeitsstudien an Tieren durchführt. Diese Arbeit wird durch den Scripps Center Grant for Antiviral Medicines & Pandemic Preparedness (CAMPP AViDD) der National Institutes of Health (U19 AI171443) gefördert. Nachfolgender Tweet weist auf einen deutschsprachigen Beitrag zu diesem Thema hin.
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