Am VW ID.4 wollte man sehr fortschrittlich sein und hat kapazitive Touch-Bedienelemente am Lenkrad angeordnet, die keine haptische Rückmeldung mehr zulassen. Die Bedienung solcher Elemente ist immer etwas "Blindflug", finde ich. Nun gibt es den Vorwurf, dass diese Art der Bedienelemente sogar Schuld an Unfällen sein.
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Moderne Technik: Nicht immer besser!
In neuen PKWs werden von den Herstellern immer neue Gimmicks verbaut. So nimmt die Touchbedienung mittlerweile einen breiten Raum ein. Persönlich habe ich damit ein großes Problem: Was früher ein einfaches Bedienelement war, welches Du anfassen und quasi blind bedienen konntest, ist heute ein Wischen und Erforschen, wo die Entwickler in den Tiefen der Bedienmenüs was versteckt haben. Immer, wenn ich ein neues Fahrzeug ausgeliehen bekomme, wenn ich mein älteres Fahrzeug zur Inspektion bringe, stelle ich den Trend "die Technik bewegt sich deutlich von den Anforderungen der meisten Fahrer weg" fest.
Dass die allgegenwärtige Touchbedienung ein Risiko darstellt, hat man in Europa bei den Behörden erkannt. Im Beitrag Automobile IT-Fehlentwicklungen: Touchbedienung als Risiko; Datenerfassung als Falle für Besitzer hatte ich im März 2024 über das Risiko Touchbedienung berichtet.
Autohersteller müssen Knöpfe und dedizierte Bedienelemente zurückbringen, um in Europa gute Sicherheitsnoten für ihre Fahrzeuge zu bekommen. Hintergrund ist das New Car Assessment Program (NCAP). Dieses soll Automobilkäufern und Kraftfahrzeugherstellern eine realistische und unabhängige Beurteilung der Sicherheitsmerkmale einiger der meistverkauften Fahrzeuge geben und führt hierzu auch standardisierte Crashtests von Automobilen durch. Ab dem Jahr 2026 werden Fahrzeugen im Euro-Raum NCAP-Punkte abgezogen, wenn einige Kontrollelemente nicht physisch sind.
VW ID.4: Bedienelemente am Lenkrad als Unfallgrund
VW hat bei seinem Elektroauto ID.4 Bedienelemente am Lenkrad verbaut, die nicht mehr physisch sind. Vielmehr ist es eine kapazitive Bedienoberfläche, bei der die "Knöpfe" nur noch optisch angedeutet sind. In diesem YouTube-Video wird die Bedienung erläutert.
Nun bin ich bei Golem auf diesen Beitrag gestoßen, in dem Unfälle mit dem VW ID.4 angesprochen werden. Das US-Magazin Arstechnica berichtet hier, dass die kapazitiven Bedienelemente Schuld an mehreren Unfällen seien. Im linken Bedienfeld wird der adaptive Geschwindigkeitsregler bedient. Ein versehentlicher Druck auf die "Taste" Fortsetzen könnte den Geschwindigkeitsregler auf die zuletzt eingestellte Geschwindigkeit zurücksetzen.
Dann beschleunigt das Auto, auch wenn der Fahrer dies eigentlich nicht wollte. Man kann zwar bremsen, aber dieses Verhalten ist zumindest verwirrend und nicht jeder wird sofort erfassen, was Ursache für das plötzlich beschleunigende Auto ist.
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Dieser Effekt wird von einer Reihe von VW ID.4-Besitzern als vermutliche Ursache für eine Reihe von Unfällen mit dem Fahrzeug verantwortlich gemacht. Die Betroffenen haben sich dann an Arstechnica gewandet.
Viele der Vorfälle ereigneten sich wohl beim Einparken und mit relativ niedrigen Geschwindigkeiten. In drei der 13 Unfallberichte der National Highway Traffic Safety Administration, die Arstechnica einsehen konnte, wurden die Insassen jedoch verletzt. In mindestens einem Fall, der Arstechnica bekannt ist, registrierte die Blackbox des Fahrzeugs keinen Unfall und die Airbags lösten nicht aus. Dies ist vermutlich auf die niedrigen Geschwindigkeiten zurückzuführen ist.
Der ID.4 erlitt einen Schaden von mehreren Tausend Euro an der Batterie (ist ja ein E-Fahrzeug). Obwohl die NHTSA-Datenbank mehrere Berichte enthält, hat die Behörde noch keine Untersuchung in dieser Angelegenheit eingeleitet. Im Internet melden sich ID.4-Besitzer, die ihre Erfahrungen mit diesen Vorfällen teilen (wobei bei manchen Berichten Skepsis herrscht).
Als Arstechnica VW um eine Stellungnahme bat, hieß es: "Wir sind uns einer kleinen Anzahl von Beschwerden bewusst". VW will von der "Neuerung" abrücken, denn im Oktober 2022 verkündete VW-Pkw-Chef Thomas Schäfer: "Wir bringen das Tastenlenkrad zurück! Das ist es, was die Kunden von VW wollen". Arstechnica schiebt ein überwältigenden Kundenfeedbacks vor. Ich tippe aber auch darauf, dass der oben erwähnte New Car Assessment Program (NCAP) Test da einen gewichtigen Anteil an der Entscheidung hat.
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Sensortasten sind nur die Spitze des Eisbergs.
An meinem Leihwagen (Toyota) finde ich zehn (10) Tasten in einer Reihe an der Stelle, an der im letzten Jahrtausend noch das Radio war. Mit diesen kann ich diverse Klimafunktionen (u.a. Ventilator-Geschwindigkeit auf Position 5 oder 6) und Sitzheizung einstellen kann. Ohne Hinsehen geht da aber gar nichts. Die Temperatur kann ich an Drehknöpfen darüber einstellen (Position wieder analog eines Radios).
Immerhin, alles Tasten, keine Touchscreen-Eingaben, die ja auch noch hinzukommen können. Kein Wunder also, das eine Kamera/Radar nebst anderen Assistenten den Straßenverlauf und die vorausfahrenden Autos beobachten muss, damit man mehr oder weniger dezent darauf hinweisen wird, wenn man mal die optimale Line verlassen hat oder der Computer meint, man fahre zu nah auf. Es wird halt nicht mehr erwartet, das der "Pilot" selbstgesteuert fährt. Und -natürlich- ist das dann in diesem Szenario besser als früher.
Ich will in letzter Konsequenz selbstfahrende Autos, dann muss ich wenigstens nicht so tun, als müsste ich noch selbst fahren…