Vor Millionen Jahren herrschten in Nordafrika die Raubsaurier. Kürzlich ist einem Studenten in einem Archiv in Bayern ein besonderer Coup gelungen. Im zweiten Weltkrieg wurden in Ägypten ausgegrabene Dinosaurierskelette in einer in Bayern untergebrachten naturkundlichen Sammlung durch Bomben zerstört. Aber auf erhalten gebliebenen, über 80 Jahre alten, Fotos konnte der Student eine neue Raubsaurierart, die in Ägypten lebte, identifizieren.
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Ein altes Dinosaurier-Skelett
Es war ein Fossil eines Raubsauriers, welches Jahrzehnte nach seinem Fund Geschichte schrieb. Die bewegte Geschichte des Fossils liegt weit in der Vergangenheit: Der Fund des Originalskeletts des großen Raubsauriers geht auf den Münchner Paläontologen Ernst Stromer von Reichenbach (1871-1952) zurück. Das Fossil wurde 1914 während einer Grabungsexpedition in der ägyptischen Bahariya-Oase ausgegraben und gelangte etwas später zu Stromer nach München.
Dort wurde es zusammen mit anderen ägyptischen Dinosaurierfossilien in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie aufbewahrt, welche sich zu dem Zeitpunkt in der Alten Akademie in der Münchner Innenstadt befand. Stromer ordnete das Fossil damals der Gattung Carcharodontosaurus, Haizahn-Echse, zu. Mit rund zehn Metern Länge einer der größten bekannten landlebenden Fleischfresser der Erdgeschichte – vergleichbar in seiner Größe mit dem etwas jüngeren Tyrannosaurus rex aus Nordamerika.
Verlust des Skeletts im 2. Weltkrieg
Am 21. Juli 1944 wurde das Gebäude der Alten Akademie bei einem alliierten Luftangriff auf München von einer Bombe getroffen und brannte vollständig aus. Ein Großteil der damaligen Sammlung, darunter auch sämtliche ägyptische Dinosaurierfossilien fielen dem Bombardement zum Opfer.
Danach war es lange Zeit still um den Riesenraubsaurier aus Ägypten und die Funde gerieten in Vergessenheit. Einzige Überbleibsel der kreidezeitlichen Dinosaurier Ägyptens sind Stromers Notizen, Illustrationen der Knochen und einige wenige Fotos des Originalmaterials.
Ein Student macht eine Entdeckung
Im Rahmen neuer Recherchen stieß der Paläontologe Maximilian Kellermann, Masterstudent an der LMU München, nun auf neue, bisher unbekannte Fotos des Raubsauriers, wie eine Mitteilung der staatlichen naturwissenschaftlichen Sammlung Bayerns Mitte Januar 2025 besagt.
Die Bilder, die Kellermann in die Hände fielen, zeigen das Original-Skelett aus Ägypten – bestehend aus Teilen des Schädels, der Wirbelsäule und der Hinterbeine – vor seiner Zerstörung in der Ausstellung der Alten Akademie.
Zusammen mit dem Dinosaurierspezialisten Prof. Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG), und Dr. Elena Cuesta, Raubsaurierforscherin der LMU München, wertete Kellermann das neue Bildmaterial aus.
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"Was wir auf den historischen Bildern sahen, hat uns alle überrascht. Das dort abgebildete ägyptische Raubsaurier-Skelett unterscheidet sich deutlich von neueren Carcharodontosaurus-Funden aus Marokko. Stromers ursprüngliche Zuordnung war somit inkorrekt. Wir identifizierten hier eine ganz andere, bisher unbekannte Raubsaurierart und gaben ihr den Namen Tameryraptor markgrafi", sagt Maximilian Kellermann, Erstautor der Studie.
Tameryraptor war etwa zehn Meter lang, besaß symmetrische Zähne und ein markantes Nasenhorn. Der Name bezieht sich auf die altägyptische Bezeichnung für Ägypten „Tamery", das gelobte Land, und ehrt Stromers Fossiliensammler Richard Markgraf, der diesen Dinosaurierrest ausgegraben hatte.
Der Saurier war wohl nahe verwandt mit anderen nordafrikanischen und südamerikanischen Carcharodontosauriern, sowie mit einer Raubsauriergruppe aus Asien, den Metriacanthosauriern, fanden die Forschenden.
"Vermutlich war die Dinosaurierfauna Nordafrikas deutlich vielfältiger, als wir das bislang angenommen haben. Diese Arbeit zeigt, dass es sich für Paläotologen auch lohnen kann, nicht nur in der Erde, sondern auch in alten Archiven zu graben", sagt Oliver Rauhut. "Für eine umfassendere Beurteilung der kreidezeitlichen Raubsaurierfauna aus der Bahariya Oase, wäre allerdings die Bergung weiterer Fossilien der Fundstelle notwendig."
Publikation:
Kellermann M, Cuesta E, Rauhut OWM (2025) Re-evaluation of the Bahariya Formation carcharodontosaurid (Dinosauria: Theropoda) and its implications for allosauroid phylogeny. PLoS ONE 20(1): e0311096. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0311096
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