Sind medizinische Anleitungen aus dem Mittelalter alle Humbug und basieren auf Aberglauben? Oder verbirgt sich altes Wissen dahinter. Wissenschaftlern sind jetzt mit Hilfe des Computers durch Auswertung großer Datenmengen (Datamining) neue Einblicke gelungen.
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Datamining ist eine Technik, um mit Hilfe des Computers neue Erkenntnisse und Zusammenhänge aus einer Vielzahl an Informationen zu gewinnen. Diese Methode feiert immer wieder Erfolge. Wie heise.de hier berichtet, nutzte eine Forschergruppe von der University of Pennsylvania diese Methode, um alte Medizintexte aus dem 15. Jahrhundert zu analysieren.
Lylye of Medicynes aus dem 15. Jahrhunder analysiert
Dazu untersuchten Wissenschaftler um Erin Connelly zusammen mit Kollegen von der University of Warwick in Großbritannien das "Lylye of Medicynes". Da ist ein im 15. Jahrhundert erschienenes Manuskript, das in der Bodleian Library im britischen Oxford lagert. Das Buch enthält Rezepte mit über 3000 Zutaten für die Behandlung von 113 verschiedenen Erkrankungen und 30 Symptomen.
(Quelle: Pexels Lizenz PhotoMIX Ltdz)
Problem ist dabei, dass die Bezeichnung der Zutaten oder der Rezepte heute nicht mehr geläufig ist. Zudem ist oft unklar, warum ein bestimmter Bestandteil im Rezept verwendet wurde. Fenchel und Kamille ist heute zwar immer noch wegen seiner Heilwirkung bekannt. Aber oft werden verschiedene Bestandteile von Heilpflanzen für unterschiedliche Krankheiten verwendet. Weiterhin kommen uns heute Bestandteile wie Brustmilch oder Galle als Bestandteil einer Arznei seltsam vor. Das rangiert in der gleichen Kategorie wie getrocknete und zerriebene Kröte.
Machen die Rezepturen Sinn?
Nach einer Standardisierung der Zutaten für die Rezepturen ließen die Wissenschaftler die Daten auswerten und gruppieren. Aus den Gruppen und Untergruppen konnten Gemeinschaften (Cluster) von Zutaten ermittelt werden. Manche Basiszutaten wie Honig oder Essig kamen in vielen Rezepturen vor. Die Forscher untersuchten, ob bestimmte Zutaten in verschiedenen Rezepturen vorkamen.
(Quelle: Pexels Pixabay, CC0 Lizenz)
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Anschließend ließen Sie moderne medizinischen Literatur (Cochrane Database of Systematic Reviews, Bibliothek evidenzbasierter medizinischer Forschung) nach Hinweisen durchsuchen, ob die Rezepte bezüglich der beschriebenen Krankheiten funktionieren konnten.
Ergebnis: Strukturierte Vorgehensweise und Wirksamkeit
Die Auswertung ergab, dass die häufig verwendeten Grundbestandteile wie Honig, Essig, Galle oder Brustmilch antibakteriellen Eigenschaften besaßen. Durch Kombination vieler Substanzen erreichte man in den alten Rezepturen oft eine Wirkung. Half ein Bestandteil nicht, erwies sich eventuell ein anderer Wirkstoff als Wirkstoff gegen die Erkrankung. Und die Kombination verschiedener Wirkstoffe erwies sich ggf. als wirksam gegen verschiedene Bakterien. Insgesamt ist altes medizinisches Wissen nicht immer Hokuspokus – so die wichtige Erkenntnis.
PS: Und mir ist beim Bestandteil Galle in den alten Rezepturen im Nachhinein klar geworden, woher der Begriff 'Bittere Medizin' wohl kommt. Und auch die 'Weisheit' unserer Altvorderen 'Medizin muss bitter sein, sonst wirkt sie nicht' bekommt so einen Sinn. Allerdings bin ich froh, in modernen Zeiten zu leben.
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