1 Jahr E-Scooter: Die Sicht des TüV

eScooterNachdem ich mich die Tage mit diversen Stellungnahmen zum Thema ein Jahr Freigabe von Elektrotretrollern im öffentlichen Verkehr in Deutschland befasst und Bilanz gezogen habe, folgt in diesem Blog-Beitrag noch auf die Stellungnahme des Tüv in dieser Hinsicht.


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Im Blog-Beitrag Bilanz nach einem Jahr E-Scooter-Freigabe hatte ich einige Gedanken in Sachen Verkehrswende und Sharing zusammen gefasst. E-Scooter bieten mehr Flexibilität beim Zurücklegen kurzer Strecken als Autos oder öffentliche Verkehrsmittel. Elektrotretroller sind aber auch für gGefährliche Unfälle, zahlreiche Verkehrsverstöße und herumliegende Fahrzeuge auf Bürgersteigen verantwortlich. Im Beitrag 1 Jahr E-Scooter: Städte fordern mehr Sicherheit gab es den Hinweis, was sich die Kommunen und Städte in Sachen Sicherheit in Bezug auf Elektrotretroller wünschen.

In obigem Tweet verweist der TÜV-Verband auf einen eigenen Artikel zum Thema. Der TÜV sieht Nachbesserungsbedarf und fordert mehr Aufklärung, sowie die Ausstattung der E-Scooter mit Bremslicht und Blinker. Zudem sollten E-Scooter-Fahren einen Helm tragen.

“E-Scooter haben sich in vielen Städten als zusätzliche Option für die Fortbewegung auf kürzeren Strecken etabliert und sind eine sinnvolle Ergänzung zu Auto, Fahrrad sowie Bus und Bahn“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands (VdTÜV). “Die hoch gesteckten Erwartungen an die Elektrotretroller als Teil der Mobilitätswende konnte das neue Fortbewegungsmittel aber bisher noch nicht erfüllen.“

Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands vom Jahreswechsel nutzen erst 1,5 Prozent der Bundesbürger/innen an Werktagen regelmäßig einen E-Scooter. Bühler: “Dennoch sind die Elektrotretroller auch in der aktuellen Corona-Lage auf kürzeren Strecken eine gute Alternative zu überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto.“

Chaos bei Sharing-Anbietern nach dem Start

Insbesondere in den Monaten nach der Einführung herrschte vielerorts Durcheinander: Herumliegende E-Scooter im Stadtbild, alkoholisierte Fahrer:innen zu zweit auf dem Gehweg und Lärm beim Einsammeln der Fahrzeuge. „Seit dem Start der E-Scooter haben alle Beteiligten eine steile Lernkurve hingelegt – Nutzer, Verleiher, Verkehrspolizei und auch die Verantwortlichen vor Ort“, sagte Bühler.

Die Verleiher haben die Zahl der E-Scooter dem tatsächlichen Bedarf in den Städten angepasst und E-Roller zum Beispiel mit Wechsel-Akkus ausgestattet. Viele Kommunen haben Regelungen für das Abstellen der Fahrzeuge erlassen und Polizist:innen auf Regelverstöße hingewiesen. Viele E-Scooter-Fahrer:innen wussten offenbar nicht, dass sie nicht auf Bürgersteigen fahren dürfen und die gleichen Promillegrenzen wie beim Autofahren gelten. Da besonders viele Touristen mit Leih-Scootern unterwegs sind, sorgten die unterschiedlichen Vorschriften innerhalb der EU für zusätzliche Verwirrung.

Der TÜV-Verband setzt sich deshalb in Brüssel dafür ein, die Regelungen für die Zulassung und Nutzung von E-Tretrollern in Europa zu vereinheitlichen: Um nationale Unterschiede bei der Erteilung einer Betriebserlaubnis zu vermeiden, sollten Elektrokleinstfahrzeuge als eigene Fahrzeugkategorie im Typgenehmigungsrecht der EU verankert werden.

Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen notwendig

Sorge bereitet dem TÜV-Verband, dass es immer wieder zu Unfällen mit zum Teil schweren Verletzungen kommt. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass neben Knochenbrüchen und Schürfwunden viele Unfallopfer Kopfverletzungen erleiden. „Wir empfehlen dringend, bei der Nutzung von E-Scootern einen Helm zu tragen“, sagte Bühler. Der TÜV-Verband befürworte zwar eine Helmpflicht, bisher ist das Tragen eines Helms laut Straßenverkehrsordnung aber erst für Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 Km/h vorgeschrieben.

E-Tretroller dürfen nicht schneller als 20 Km/h fahren. Der TÜV-Verband setzt daher auf eine bessere Aufklärung der Öffentlichkeit. „Wie E-Scooter beim Unfallgeschehen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln abschneiden, können erst mittel- bis langfristige Erhebungen zeigen“, betonte Bühler. Eine entsprechende Datenbasis baue das Statistische Bundesamt gerade auf.

Sinnvolle technische Sicherheitsmaßnahmen sind aus Sicht des TÜV-Verbands eine Ausstattungspflicht mit einem hinteren Bremslicht und Blinkern. „Einhändiges Fahren, um einen Fahrtrichtungswechsel anzuzeigen, ist keine praktikable Option, da die meisten E-Scooter leicht ins Schlingern geraten“, sagte Bühler. Daher sollte eine entsprechende Verpflichtung zur Ausstattung von E-Scootern mit „Fahrtrichtungsanzeigern“ sowie mit Bremslicht in die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) aufgenommen werden.

Für jugendliche E-Scooter-Fahrer:innen, die noch über wenig Erfahrung im motorisierten Verkehr verfügen, sei zudem eine Mofa-Prüfbescheinigung sinnvoll. Die Ausbildung vermittelt in sechsmal 90 Minuten grundlegendes Wissen über die Verkehrsregeln und umfasst einmal 90 Minuten praktisches Üben. Es folgt eine theoretische Prüfung mit 20 Fragen. E-Scooter dürfen ab einem Alter von 14 Jahren gefahren werden.

Aus Sicht des TÜV-Verbands wird der E-Scooter erst im Laufe der Zeit sein volles Potenzial entfalten können, wenn die Verkehrsteilnehmer:innen den Umgang damit erlernt und die Verkehrsverwaltungen das Fahrzeug in ihre Planungen einbezogen haben. „Viele Formen der Mikromobilität wie E-Bikes, Lastenräder oder Elektrotretroller haben ihre Berechtigung und werden ihren Platz im Mobilitätsmix der Menschen finden“, betonte Bühler. „Dazu bedarf es einem konsequenten Ausbau der Infrastruktur für diese immer stärker genutzten Fahrzeuge.“

Zum Hintergrund: Die Sachverständigen der TÜV-Organisationen erstellen für Hersteller und Importeure von E-Scootern Gutachten, um beim Kraftfahrtbundesamt eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) für ihre Fahrzeuge beantragen zu können. Die technischen Anforderungen sind in der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung geregelt.

Zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine repräsentative Umfrage der Ipsos GmbH im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.000 Personen zwischen 16 und 75 Jahren. Die Frage lautete: „Welche Verkehrsmittel nutzen Sie an einem gewöhnlichen Werktag?“

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