Der Wissenschaftler und Astronom Avi Loeb ist überzeugt, Reste eines interstellaren Meteoriten aus einem fremden Sonnensystem geborgen zu haben. Andere Fachleute sind da aber skeptisch und zweifeln die interstellare Herkunft der Proben an.
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Worum geht es genau?
Am 8. Januar 2014 verglühte oberhalb von Papua Neuguinea ein Meteor in der Erdatmosphäre, was von Kameras aufgezeichnet wurde. Der Astronom Avi Loeb stieß 2019, gemeinsam mit seinem Studenten Amir Siraj, in alten Daten des CNEOS-Katalogs (Centre für Near Earth Object Studies der NASA) auf den oben erwähnten Meteor.
Bahn von C/2020 F8 (SWAN), Quelle: NASA
Aus den Eintrittsparametern leitete Loeb ab, dass dieser Meteorit von außerhalt des Sonnensystems gekommen sein könnte. Ich hatte im Blog-Beitrag Dezember 2014: Erde von interstellarem Objekt getroffen und im Beitrag Extrasolarer Meteorit 2014 auf die Erde gestürzt – Beobachtung vom Militär bestätigt darüber berichtet.
Eine Expedition findet Reste
Avi Loeb nahm an, dass Reste des Meteoriten auf dem Meeresgrund zu finden seien und organisierte eine privat finanzierte Suchmission im Pazifik. Ende Juni 2023 ging dann die Meldung durch die Presse, dass die Reste des Meteoriten gefunden worden seien.
Es handelt sich um winzige Kügelchen geschmolzenen Materials, die von einem über den Meeresgrund gezogenen Schlitten an die Oberfläche gefördert wurden. Avi Loeb hatte am 26. Juni 2023 einen entsprechenden Bericht im Blog des Galileo Projekts, das die Bergung finanzierte, mit ersten Ergebnissen veröffentlicht (siehe auch mein Blog-Beitrag Vermutlich Reste eines interstellaren Meteoriten gefunden mit weiteren Details).
Loeb: Analysen bestätigen den Fund
Ich hatte es noch nicht hier im Blog, aber erste Analysen der Kügelchen haben dien intersolaren Ursprung des Materials bestätigt, so Avi Loeb. Denn die Analyse habe Anteile der Elemente Beryllium, Lanthan und Uran ergeben, die mehrere hundertmal so hoch seien, wie sonst in unserem Sonnensystem üblich, heißt es.
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Bestimmte Metalle (z.B. Rhenium) kämen in den Proben hingegen in viel geringerer Menge als erwartet vor. Die Kollegen von Golem haben Details im Beitrag Avi Loeb: Analysen bestätigen erstes interstellares Objekt veröffentlicht – liest sich spannend und Avi Loeb könnte ein großer Wurf gelungen sein, wenn das alles stimmt.
Zweifel an den Ergebnissen/Schlussfolgerungen
Die Tage bin ich in der NZZ auf den Artikel Der Astrophysiker Avi Loeb will im Pazifik Reste eines interstellaren Meteoriten gefunden haben. Bisher überzeugen die Beweise aber nur ihn selbst gestoßen (falls nicht lesbar, im Inkognito-Modus öffnen).
Die Kritik von Fachleuten an der wissenschaftlichen Arbeit von Loeb entzündet sich einerseits am Umstand, dass dieses Papier bisher noch von keiner Fachzeitschrift akzeptiert worden sei. Jegliche Aussagen von Avi Loeb ständen daher unter Vorbehalt.
Aber es gibt auch Zweifel, ob die Schlüsse, die Avi Loeb aus den Analyseergebnissen zieht, stichhaltig sind. My Riebe vom Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich wird im NZZ-Artikel mit mehreren Argumenten zitiert. So sei nicht erwiesen, dass die Geschwindigkeitsdaten des Objekts beim Eintritt in die Atmosphäre stimmen. Diese Daten sind aber Kern der Argumentation für einen interplanetaren Ursprung des Meteoriten.
Ein weitere Punkt, den die Wissenschaftlerin My Riebe anzweifelt, ist die "Besonderheit der Analyseergebnisse, die angeblich mit keinem Körper im Sonnensystem übereinstimmt". My Riebe führt im NZZ-Artikel aus, dass eine bestimmte Komponente des Mondgesteins eine ähnliche Elementverteilung besitzt wie die von Avi Loeb gefundenen BeLaU-Kügelchen. Avi Loeb hat das zwar auch diskutiert, aber eine Herkunft vom Mond verworfen.
Matthew Genge vom Imperial College in London kommt mit einem anderen Einwand: Er weist berechtigt darauf hin, dass die Katalogisierung der Meteoriten aus dem Sonnensystem mit ihrer Elementverteilung unvollständig sei. Der Vergleich mit den gefundenen Kügelchen sei also unzulässig und führe nicht weiter.
Kurzum: Es ist nicht ausgeschlossen, dass Avi Loeb wirklich interstellares Material gefunden hat. Aber es sprechen eine Menge Gründe dagegen, dass dies wirklich der Fall sein könnte. Momentan ist wohl alles offen, nur Avi Loeb ist von seiner Theorie überzeugt.
Die Fachkollegen sagen dagegen, es müssen weitere Analysen her. So könnte eine Isotopen-Analyse des ermittelten Berylliums zeigen, ob das Material lange im Weltall der kosmischen Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Diese Analyse fehlt aber wohl – und Wissenschaftler der NASA wollen sich zum Fall überhaupt nicht äußern, es gibt wohl einen Maulkorb für Gespräche mit der Presse. Sieht so aus, als ob wir noch etwas auf den "Nachweis eines Alien-Objekts aus dem interstellaren Raum" warten müssen.
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