Unfallstatistik 2020: eScooter als Risikofaktor

Traurige Gewissheit, was die Statistik an Unfällen in 2020 verrät. Nach sieben Toten und hunderten an Schwerverletzten, basierend auf 1.570 eScooter-Unfällen mit Personenschaden von Januar bis September 2020 ist klar: Die Fahrzeuge und deren Fahrer stellen ein höheres Unfallrisiko als Radfahrer dar. Ursache ist meist die 'Fahrweise' der eScooter-Piloten, die sich nicht an Regeln und Verbote halten.


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Seit der Zulassen im Juni 2019 sind Elektrotretroller (E-Scooter oder eScooter) nicht mehr aus dem Straßenbild der Großstädte in Deutschland wegzudenken. Aber seit der Freigabe der Fahrzeuge gibt es Ärger um E-Scooter und vor allem deren Fahrer samt den von dieser Klientel verursachten – oft schweren – Unfällen.

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Daten

Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat gerade die Statistik zu E-Scooter-Unfällen veröffentlicht – siehe auch nachfolgender Tweet. Von Januar bis September 2020 registrierte die Polizei in Deutschland insgesamt 1.570 Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen, sogenannten E-Scootern, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden.

Die Unfälle mit E-Scooters werden ja erst seit 2020 überhaupt separat erfasst, nachdem in 2019 bereits häufig ein erhöhtes Unfallrisiko mit diesen Fahrzeugen konstatiert wurde, das aber mangels separater Erfassung in der Unfallstatistik nicht ausgewertet werden konnte (siehe meinen Blog-Beitrag eScooter: Ab 1.1.2020 Teil der Unfallstatistik).

Nun liegen erstmals die Unfallzahlen aus den drei ersten Quartalen des Jahres 2020, einschließlich der Sommersaison, vor. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, wurden in diesem Zeitraum insgesamt 7 Menschen getötet, 269 E-Scooter-Nutzende wurden schwer verletzt und 1.096 leicht.

E-Tretroller zur Ausleihe
(eScooter, Symbolbild, Quelle: Pexels, Magda Ehlers, freie Nutzung)

Die Zahlen erlauben einen Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln, beispielsweise Fahrrädern: In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 hat die Polizei deutschlandweit rund 73 293 Unfälle mit Personenschaden registriert, an denen Fahrradfahrerinnen und -fahrer beteiligt waren. 351 Fahrradfahrerinnen und -fahrer kamen dabei ums Leben, 14 128 wurden schwer verletzt, 59 633 leicht.

Unfallzahlen mit E-Scootern stiegen im Frühjahr und Sommer

Noch spielen E-Scooter im Unfallgeschehen somit eine vergleichsweise geringe Rolle, allerdings stieg die Zahl der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden im Frühjahr und Sommer an: Gab es im 1. Quartal 2020 noch 252 Unfälle mit Personenschaden, so waren es im 2. Quartal bereits 417. Am höchsten war die Zahl im 3. Quartal: Von Juli bis September nahm die Polizei 901 E-Scooter-Unfälle auf, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Dabei wurden 4 Menschen getötet, 145 schwer verletzt und 627 leicht.

In den Meldungen der Polizei kommt immer wieder durch, dass die Fahrer von Elektrotretrollern sich nicht an die Verkehrsregeln halten und zum Beispiel Bürgersteige oder Fußgängerzonen verkehrswidrig befahren. Wenn ich mir die Blog-Beiträge hier so anschaue, halten sich die Fahrer der E-Scooter auch nicht an die geltenden Alkoholgrenzwerte, die für PKWs aber auch Elektrokleinstfahrzeuge gelten.

Auch wenn das Unfallgeschehen eine vergleichsweise geringe Rolle spielt, sind die Befürchtungen der Kritiker, die vor der laxen Freigabe der Elektrokleinstfahrzeuge gewarnt hatte, leider eingetreten. Fehlende Helm- und Führerscheinpflicht, sowie keine Blinker an den Fahrzeugen fordern ihren Tribut. Sieben Tote mit diesem Verkehrsmittel sind einfach sieben Tote zu viel. Und die 269 Schwerverletzte bedeutet, dass sich das Leben von 269 Menschen von einer Sekunde auf die andere gravierend verändert hat.

SPON hat in diesem Artikel noch einige Aussagen von Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) aufgenommen. Der Unfallforscher sieht die Zahl der Toten und Verletzten als alarmierend an. "Bei 21 Prozent der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden ist der Verunglückte nicht der Fahrer, sondern ein anderer Verkehrsteilnehmer." wird Brockmann zitiert. Zum Vergleich: Bei Fahrradunfällen liege dieser Wert nur bei fünf Prozent. Brockmann führt eine Studie an, dass "in knapp 60 Prozent der Fälle auf dem Fußweg gefahren wird, obwohl man eigentlich die Straße oder den Radweg nutzen müsste". Viele Fahrer kennen die einfachsten Regeln, z.B. wo gefahren werden darf, nicht.

Geringeres Verkehrsaufkommen durch Corona-Krise wirkt sich auf Unfallgeschehen aus

Insgesamt betrachtet verringerte sich 2020 im Zuge der Corona-Pandemie das Verkehrsaufkommen, was auch zu einer Abnahme des Unfallgeschehens führte. Von Januar bis September erfasste die Polizei rund 1,68 Millionen Straßenverkehrsunfälle. Das waren 15,4 % weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Besonders deutlich sichtbar wurde diese Entwicklung im Zeitraum des ersten Lockdowns im Frühjahr und in den Monaten danach: Insgesamt nahm die Polizei von März bis Ende Juni 2020 rund 26 % weniger Verkehrsunfälle auf als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Verkehrstoten lag in diesen vier Monaten mit 895 auf einem historischen Tiefstand – dem niedrigsten Wert für März bis Juni eines Jahres seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990.

Unfallgeschehen im Vergleich (2020)

Methodischer Hinweis: E-Scooter sind erst seit Inkrafttreten der Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge am 15. Juni 2019 zum Straßenverkehr in Deutschland zugelassen. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen, so weit vorhanden, Fahrradwege oder Schutzstreifen nutzen. Ansonsten sollen sie auf Fahrbahnen oder Seitenstreifen ausweichen, die Nutzung der Gehwege ist verboten. Einen Führerschein brauchen die Fahrerinnen und Fahrer von E-Scootern nicht, sie müssen aber mindestens 14 Jahre alt sein. In punkto Alkohol gilt die allgemein übliche 0,5-Promille-Grenze. Unter 21-Jährige und Führerschein-Neulinge dürfen sich keinerlei Alkoholkonsum erlauben, wenn sie E-Scooter fahren wollen.

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