SpaceX-Gründer Elon Musk hat letzten Sonntag ausführlicher dargelegt, was am 20. April 2023 beim misslungenen Start seinem Starship schief gelaufen ist. Die Rakete musste ja in ca. 40 km Höhe gesprengt werden, nachdem sie vom Kurs abgekommen war.
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Ich hatte ja zeitnah im Blog-Beitrag SpaceX Starship-Testflug; Rakete im Flug zerbrochen über das Projekt und das Scheitern des ersten Testflugs der Kombination der Falcon Heavy Antriebsstufe mit dem umbemannten Startship-Raumschiffs berichtet. Das Starship hob mit seiner Falcon Heavy als 1. Antriebsstufe zwar ab. Aber 3 Minuten später sah man eine große Explosion, bei der die Rakete im Flug zerlegt wurde. Was war passiert?
Die Kombination von Rakete und Raumschiff musste wegen instabiler Fluglage in ca. 40 km Höhe gesprengt werden.
Musk erklärt die Probleme
In einem umfangreichen Artikel hat Ars Technica die ca. 1 Stunde langen Ausführungen von Musk während einer Twitter-Space-Veranstaltung, auf der er auch die Fragen mehrerer Journalisten und Raumfahrtenthusiasten beantwortete, aufbereitet – und beim ersten Start ist einiges schief gelaufen.
Musk sagte in seiner Bilanz, dass der erste Start der Starship-Rakete am 20. April unter dem Strich seine Erwartungen leicht übertroffen habe. Die Rakete hob ab und die Schäden am Startplatz seien "nicht allzu groß gewesen". Er rechnet damit, dass das Starship schon in zwei oder drei Monaten wieder fliegen wird – sofern die Behörden der US-Flugaufsicht den nächsten Start frei geben.
Die Schwierigkeiten beim Testflug begannen bereits auf dem Starttisch. Als die Rakete abhob, waren drei Triebwerke nicht gezündet, weil die Flugsoftware sie für nicht "gesund genug" befand, um sie auf vollen Schub zu bringen. Damit waren noch 30 der 33 Triebwerke der ersten Stufe der Super Heavy in betriebsbereitem, gutem Zustand. Das sei die zulässige Mindestanzahl für den Start, so Musk.
Musk führte auch aus, dass er nicht glaube, dass diese drei Triebwerke durch den Kies und den Beton beschädigt worden seien, die durch den immensen Schub der Rakete beim langsamen Abheben von der Startrampe aufgewirbelt wurden. Wörtlich sagte er: "Seltsamerweise haben wir keine Anzeichen dafür gesehen, dass der Gesteins-Tornado die Triebwerke oder Hitzeschilde tatsächlich materiell beschädigt hat. Es könnte sein, aber wir haben noch keine Beweise dafür gesehen."
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Bereits 27 Sekunden nach dem Start fiel die Kommunikation mit Triebwerk 19 aus, was laut Musk mit einem "energetischen Ereignis" zusammenhing. Dadurch wurde auch der äußere Hitzeschild von vier benachbarten Triebwerken beschädigt. Die SpaceX-Ingenieure untersuchen derzeit noch, was genau dieses energetische Ereignis war.
"Bei T-plus 27 Sekunden ist also etwas Schlimmes passiert, denn das Triebwerk 19 hat die Kommunikation verloren, und eine Art Explosion hat die Hitzeschilde der Triebwerke 17, 18, 19 und 20 zerstört", sagte Musk. "Für den Rest des Fluges waren am Heck der Rakete sichtbare Brände zu sehen, aber die Rakete flog weiter. Bei T-plus 62 Sekunden sehen wir weitere Schäden am hinteren Hitzeschild in der Nähe von Triebwerk 30; das Triebwerk läuft jedoch weiter."
Und dann, bei T-plus 85 Sekunden, ging es richtig rund. Zu diesem Zeitpunkt begann der Verlust der Schubvektorsteuerung der Rakete, so dass diese nicht mehr die geplante Flugbahn einhalten konnte. Die Rakete begann zu trudeln und dies führte zur Auslösung des Flugabbruchsystems.
Flugabbruch dauerte zu lange
Aber auch das ging schief, denn anderthalb Minuten nach Beginn des Flugs wurde das Flugabbruchsystem der Rakete bereits ausgelöst. Die Sprengladung detoniert zwar, und begann die Treibstofftanks zu zerreißen. Aber es gab eine Verzögerung von etwa 40 Sekunden zwischen der Auslösung des Systems und dem Auseinanderbrechen der Rakete.
Das stelle zwar kein Problem dar, da die Trümmer im Meer landeten. Aber die Verzögerung ist nicht akzeptabel. Die Idee ist nun, bei der nächsten Mission mehr Sprengstoff zu verwenden, um einen sofortigen Flugabbruch zu erreichen. Musk räumte jedoch ein, dass die Klärung dieses Problems mit der Federal Aviation Administration (FAA) einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. "Das am längsten dauernde Problem ist wahrscheinlich die Requalifizierung des Flugabbruchsystems", sagte Musk. "Das ist natürlich etwas, das wir sicherstellen wollen, bevor wir mit dem nächsten Flug fortfahren."
Neuer Prototyp schon anders
Ohne den Verlust der Schubvektorsteuerung der Super Heavy Booster hätte die Rakete es vielleicht bis zur Stufentrennung geschafft, sagte Musk. Die Sicherstellung der Fähigkeit der Rakete, sich selbst zu steuern, selbst bei mehreren Triebwerksausfällen, ist der Schlüssel für den nächsten Flugversuch mit Booster 9, dem nächsten Prototyp der Rakete.
"Booster 9 ist viel einfacher, weil wir Elektromotoren zur Steuerung der Triebwerke verwenden, im Gegensatz zu hydraulischen Aktuatoren, bei denen man einen gemeinsamen Verteiler zwischen den hydraulischen Aktuatoren hat", sagte Musk. "Die elektrisch betriebenen Triebwerke werden viel besser isoliert sein. Es wird entscheidend sein, sicherzustellen, dass jeder einzelne Triebwerksausfall isoliert ist, und das Unternehmen hat die Rakete zu diesem Zweck robuster gemacht."
Schäden am Startplatz
Musk ging auch auf die am Startplatz beobachteten Schäden ein, darunter das große Loch, das durch den Schub der Rakete entstanden ist. Beim Start, den er als den "größten Schneidbrenner der Welt" bezeichnete, rissen die Flammen den Spezialbeton (Fondag) regelrecht weg.
Eigentlich war bereits eine wassergekühlte Stahlplatte für den Start unter dem Tisch vorgesehen. Der Bau der Konstruktion startete 3 Monate vorher, die Stahlplatte wurde aber nicht fertig. "Wir werden eine Menge Stahl verbauen", sagte Musk über den Bereich an der Basis der Rakete, den er als "Mega-Stahlpfannkuchen" bezeichnete. Dieser würde sowohl für Stabilität unter der Rakete als auch für ein regeneratives Kühlsystem sorgen, das Wasser nach oben pumpt, um die Abgase der 33 Triebwerke der Rakete zu kühlen.
"Das ist im Grunde ein wasserummanteltes Sandwich, das aus zwei Schichten Stahlblech besteht, die auch auf der Oberseite perforiert sind", sagte Musk. "Es handelt sich also im Grunde um einen massiven, superstarken Stahlduschkopf, der nach oben gerichtet ist."
Dieser Ansatz dürfte die Schäden am Startplatz verringern und die Ausbreitung von Betonstücken und Staub verhindern, hofft man. Diese abgesprengten Betonstücke wurde ja beim ersten Testflug beobachtet. "Die Trümmer sind im Grunde nur Sand und Gestein, also überhaupt nicht giftig oder so", sagte Musk. "Es ist im Grunde nur ein Sandsturm. Im Grunde ein von Menschen verursachter Sandsturm. Aber das wollen wir nicht noch einmal machen." Die Anwohner in Nähe des Startplatzes hatten sich berechtigterweise über den sich ablagernden Staub und den Lärm beschwert.
Hoffnung auf den nächsten Flug
Aufgrund der Modifikationen an der Rakete und der Startrampe rechnet Musk damit, dass SpaceX in sechs bis acht Wochen für einen zweiten Starship-Startversuch bereit sein werde. Musk räumte jedoch ein, dass der Abschluss der Arbeiten mit der Federal Aviation Administration am Flugabbruchsystem und die Ergreifung anderer Maßnahmen, die für eine Startlizenz erforderlich sind, länger dauern könnten.
Musk zeigte sich vorsichtig optimistisch, was den nächsten Startversuch angeht. Dieser soll dasselbe Missionsprofil haben wie der erste Testflug: Die Super Heavy-Antriebsstufe startet und landet im Golf von Mexiko. In 40-45 km Höhe trennt sich das Starship, erreicht im weiteren Flug fast die Orbitalgeschwindigkeit und landet dann nach nicht ganz einer Erdumkreisung im Pazifischen Ozean nördlich von Hawaii.
"Ich denke, dieses Mal haben wir eine mehr als 50-prozentige Chance, die Umlaufbahn zu erreichen", sagte Musk. "Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr vier oder vielleicht sogar fünf Flüge durchführen können.
Das Ziel dieser ersten Testflüge ist es, weitere Informationen über die Leistung der Super Heavy Antriebsstufe und des Starship zu sammeln. Nachdem das Trägersystem die Umlaufbahn zuverlässig erreicht hat, wird die nächste Phase des Programms die Demonstration des Treibstofftransfers im Weltraum und den Beginn der Landung und Wiederverwendung der Booster- und Oberstufen umfassen.
"Es wird wahrscheinlich noch ein paar Jahre dauern, bis wir eine regelmäßige Wiederverwendbarkeit erreichen, bei der wir den Booster und das Schiff zurückbringen", sagte er. "Es wird ein paar Jahre dauern, bis wir dort sind, wo die Falcon 9 heute ist, wo es ganz normal ist, dass die Rakete landet."
Musk schätzt, dass SpaceX im Jahr 2023 etwa 2 Milliarden Dollar für das Starship-Programm ausgeben wird,. Er geht aber nicht davon aus, dass er in diesem Jahr zusätzliches Kapital zur Finanzierung aufnehmen muss.
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