Fußspuren in Vulkangestein liefern, so eine aktuelle Studie, Hinweise, dass vor 350.000 Jahren wohl Exemplare des Homo heidelbergensis sich auf einem aktiven Vulkan umgesehen haben.
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Wir Menschen sind schon neugierige Vögel, müssen sich alles ganz genau anschauen, auch wenn es uns, platt ausgedrückt, den Arsch kostet. Nur so ist die Menschheit weiter gekommen, über die Weltmeere gefahren und auf den Mond geflogen. Scheint in unseren Wurzeln zu stecken. Dem nachfolgenden Tweet entnehme ich, dass der Vorfahr des Neandertalers, der Homo heidelbergensis, schon extrem neugierig gewesen, und auf den Aschehängen eines frisch ausgebrochenen Vulkans herumgekraxelt sein muss.
Evidence at other sites makes it pretty clear that sometimes humans just want to look around, even if it's dangerous (sometimes especially if it's dangerous). https://t.co/eJL7bGrxsk
— Ars Technica (@arstechnica) March 2, 2020
Etwa 60 km nordwestlich des Vesuvs, liegt der Vulkan Roccamonfina. Dieser hatte vor etwa 350.000 Jahren einen heftigen Ausbruch. Pyroklastische Ströme – tödliche Ströme von heißem Gas und vulkanischer Asche – stürzten die Berghänge des Vulkankegels hinunter. Doch weniger Tage später muss eine kleine Gruppe von Hominiden über die Asche- und Bimsschicht, die den steilen Berghang bedeckte gewandert sein. Die Spuren sind noch heute zu sehen (siehe da Foto in obigem Tweet).
Neuere Analysen und einige neu identifizierte Abdrücke deuten darauf hin, dass es sich bei den damaligen Menschen um den Homo heidelbergensis gehandelt haben könnte, der in der Nähe des Vulkans lebte und jagte.
Die Asche muss kühl genug gewesen sein, um sie zu begehen, aber immer noch weich genug, um die Spuren – in einigen wenigen Fällen sehr detailliert – zu erhalten. Laut dem Ichnologen Adolfo Panarello (Universität Cassino und Südlatium) und seinen Kollegen muss dies innerhalb weniger Tage nach dem Abgang der Glutlawine geschehen sein.
Möglicherweise war der Roccamonfina zu diesem Zeitpunkt sogar noch ausgebrochen. Denn eine weitere Ascheschicht bedeckte später den Hang und versiegelte mindestens 81 der Fußspuren. Erst Anfang 1800 deckte die Erosion Fußspuren wieder auf. In den Jahren um 1800er waren sich die um den heute erloschenen Vulkan herum lebenden Menschen, die sicher, dass nur der Teufel diese Spuren hinterlassen haben konnte.
Heute weiß man es besser: Es sind Fußabdrücke von Menschen, die vor 350.000 Jahren über die noch weiche Vulkanasche gewandert sind. Die Spuren zeigen, dass mindestens fünf Individuen, alle mit unterschiedlichen Fussgrössen, den steilen, aschebedeckten Hang hinuntergegangen sind. Ein Weg führt im Zickzack bergab, und man kann sich leicht vorstellen, wie die die Menschen sich vorsichtig schräg über den Hang bewegten. Entlang eines anderen, stärker gekrümmten Weges gibt es immer noch Handabdrücke, wo die Leute die Hand ausstreckten, um sich zu stabilisieren, und eine Rutschmarkierung verrät, wo einer der Menschen ausgerutscht ist.
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Einer der neu identifizierten Abdrücke am Fundort weist überraschend viele Details über den rechten Fuß eines dieser Menschen auf: die breite Ferse, das niedrige Fußgewölbe und die Basis der großen Zehe. Insgesamt, so Panarello und seine Kollegen, sieht er den Füßen der 430.000 Jahre alten Fossilien von H. heidelbergensis aus der Höhle Sima de los Huesos in Spanien sehr ähnlich. Dies deckt sich mit einer Studie aus dem Jahr 2016, die ergab, dass die kurze, breite Form der Fußabdrücke gut mit der Größe der fossilen Füße von H. heidelbergensis in anderen europäischen Ländern übereinstimmte.
Panarello und seine Kollegen sind sich aber noch nicht ganz schlüssig. Es ist auch möglich, dass die Wanderer tatsächlich schon Neandertaler waren, und es besteht sogar eine geringe Chance, dass eine andere Homininart in der Gegend gelebt haben könnte. Hier sind sich die Paläoanthropologen noch uneinig, wann in Europa Hominiden nicht mehr Home heidelbergensis, sondern schon Neandertaler waren.
Laut Bericht werfen die konservierten Spuren dieser Gruppe von Homininen in der vulkanischen Asche von Roccamonfina einige interessante Fragen darüber auf, wie die in den Vulkanregionen lebenden Menschen mit den gefährlichen Landschaften um sie herum umgingen.
Panarello und seine Kollegen vermuten, dass die Gruppe wahrscheinlich in der Gegend lebte und jagte, und dass dieser Bergabschnitt wahrscheinlich zu ihrem normalen Jagdgebiet gehörte. Archäologen haben entlang der Fährten in derselben Felsschicht Steinwerkzeuge gefunden, und ähnliche Werkzeuge sind an einer nahegelegenen Stelle aufgetaucht, obwohl nicht klar ist, wie alt diese Werkzeuge sind.
Als die Gruppe den frischen Aschehang hinaufstieg, flohen die Menschen nicht in Angst und Schrecken (dafür wäre es ohnehin viel zu spät gewesen). Aufgrund der Form der Eindrücke und der Entfernung zwischen ihnen gingen die 'Bergsteiger' tatsächlich in einem ziemlich gemächlichen Tempo. Vielleicht waren sie sogar auf der Jagd.
In der Nähe des Felsens sind auch Hufabdrücke zu sehen, und einige große Hundepfotenabdrücke gehen auch nahe an den menschlichen Spuren vorbei. Aber anders als in White Sands, New Mexico, zeigen die Fußabdrücke keine Konfrontationen zwischen den Homininen und ihrer potenziellen Beute (oder potenziellen Rivalen). Das bedeutet, dass die Wissenschaftler nicht mit Sicherheit sagen können, ob diese Homininen sich auf der Suche nach einer Jagdbeute auf den Vulkanabhang gewagt haben. Neben dem oben im Tweet verlinkten Beitrag findet sich hier ein weiterer englischsprachiger Artikel zum Thema.
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