Endlich, nach einem langen Arbeitsleben die Füße hochlegen und den Ruhestand genießen? Wer träumt da nicht von? Heute noch eine kleine Geschichte, wie ich in Rente gehen wollte, das aber nicht wirklich geklappt hat und ich als Pseudo-Rentner gelandet bin. Also quasi in Rente gegangen bin, ohne Rente zu bekommen und irgendwie so in eine Art Unruhestand verharre, in dem ich einfach mal weiter arbeite. Ist wieder ein echtes Stück aus dem Leben, was wohl nur mir passieren kann und als Plot für ein Drehbuch "als zu abgehoben und abenteuerlich" verworfen worden wäre. Aber Vorsicht, ist eine lange Geschichte.
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Ein langer Weg …
Bald sind es 52 Jahre her, dass ich als junger Stift (heute Azubi) im August 1969 im zarten Alter von 14 Jahren die Lehrlingsbank im Elektroinstallateurhandwerk drückte. Die Amerikaner waren gerade auf dem Mond gelandet und ich lernte Bügeleisen und Waschmaschinen reparieren, Kabel in Neubauten verlegen sowie Steuerungen für Anlagen in Unternehmen zu bauen. Damals konnte ja noch keiner ahnen, dass ich mehr als ein halbes Jahrhundert später als Pseudo-Rentner landen würde.
War aber absolut heißer Scheiß, die 3 1/2 Jahre als Lehrling. Mit 65 Mark Lehrlingsgehalt im Monat gestartet, gab es bald kräftige Lohnerhöhungen auf etwas um die 120 Mark/Monat, einen Bausparvertrag, Zahlungen an die Rentenkasse (das Büchlein, in das Marken für die Rente geklebt wurden, war aber schon abgeschafft – ich habe also nie das "er hat für seine Rente geklebt" praktisch erfahren), jede Menge Knochenarbeit … und die einmalige Erfahrung (die wohl kein zweiter Lehrling in Deutschland gemacht hat), die Zwischenprüfung im Elektrohandwerk mit theoretisch 1 zu bestehen, aber praktisch durchzufallen. Mann, hat das gerappelt – war aber der beste Schuss vor den Bug, den man sich denken konnte – für den Meister und auch für seinen Lehrling. Cheffe hat kapiert und der kleine Lehrling hat geflucht. Du hast über Stunden in mühevoller Arbeit ein Kabel in oder auf der Wand verlegt, denkst "Arbeit endlich fertig", kam der Meister, schaute sich das an, schüttelt den Kopf und reißt den ganzen Kram mit einem Ruck und "das kannst Du besser" wieder ab …
Na gut, ich kürze mal ab: Die Gesellenprüfung ist dann glatt gelaufen – theoretisch 1 (nix neues) und praktisch gefühlt mit "na ja" durchgekommen. Aber die Prüfer meinten: Bestes Gesellenstück im Kreis, dann mit einer Arbeitsprobe die beste Arbeit der Kammer und später auch Sieger im Landeswettbewerb von Rheinland-Pfalz geworden. Cheffe war stolz wie Bolle, aber ich meinte "Ich bin dann mal weg, in Richtung Rente …". Gut, ist etwas geflunkert, das "ich bin dann mal weg" bezog sich auf das "schuften als Elektriker". Denn ich hatte mal bei der Arbeit in einer Ziegelei einen Ingenieur gesehen, der per Porsche vorfuhr, dem Altgesellen und Meister erklärte, wie die Elektroinstallation vorzunehmen wäre, und dann in schickem Anzug und blanken Schuhen wieder weggefahren ist. Muss den kleinen Lehrling irgendwie beeindruckt haben, denn nach der Lehre meinte er "jetzt ist Abflug".
Bedeutete, den steinigen Einstieg in den zweiten Bildungsweg mit Berufsaufbauschule (Mittlere Reife) und Fachoberschule (Fachhochschulreife) einschlagen. Dann kamen Wehrdienst bei der Bundeswehr und Ingenieurstudium der Physikalischen Technik sowie später noch nebenberuflich ein bisschen Studium der Informatik. Da in dieser Zeit der Schule und des Studiums zwar jede Menge geringfügige Beschäftigungen zum "nebenbei Geld verdienen" angenommen wurden, die Arbeitgeber damals aber keine Rentenversicherungsbeiträge für Schüler und Studenten leisten mussten (die Mini-Job-Regelung gab es noch nicht), klafft heute da ein Loch von 5 Beitragsjahren.
Aber nach dem Abschluss des Studiums ging es Schlag auf Schlag – schnurstracks in Richtung Rente: Job als Ingenieur im Flugzeugbau, und später Entwicklungsingenieur für Computertechnik in der Großchemie. So mit 38 Jahren hatte ich genug "von Arbeit" (ok, da war so eine gläserne Decke, die der Vorstand für mich eingezogen hatte) und erklärte "Leute, ich mache mein Hobby zum Beruf, dann brauche ich nie wieder zu arbeiten". Also habe ich meinen Job als Ingenieur im unteren Management an den Nagel gehängt und bin im Oktober 1993 als selbstständiger Schriftsteller im Bereich Computerbücher gestartet. Chefs, Kollegen und Mitarbeiter hielten mich für meschugge, aber es funktionierte. Die letzten fast 28 Jahre vergingen wie im Flug … und es hat gestimmt, ich habe seit dieser Zeit nie wieder gearbeitet, aber Vergnügungssteuer gezahlt und als selbständiger Künstler wie jeder anständige Arbeitnehmer Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge (über die Künstlersozialkasse) abführen lassen.
Rentnerdasein in Sicht …
Seit 2007 bin ich dann noch als sogenannter Blogger unterwegs – das sind so Leute, die dieses Internet mit lauter unsinnigem Zeugs (wie diesen Beitrag) vollschreiben … und wenn es gut läuft, damit auch noch Geld verdienen. Einige dieser seltsamen Wesen schimpfen sich auch Influencer – gehöre ich selbstverständlich nicht dazu. Aber ich gestehe (ohne mich dafür zu schämen), ich konnte die letzten Jahren von meinen Blogs bzw. den damit generierten Einnahmen leben. Gelegentlich meinte ich flapsig, wenn jemand fragte "macht das denn überhaupt Spaß" als Antwort "Blogger ist schönstes Amt neben Papst". Aber auch die schönsten Dinge finden irgendwann Mal ihr Ende und in den letzten drei, vier Jahren kam dann schon mal der Gedanke "bald ist alles vorbei, und Du wirst Rentner" – oh Gott, was machst Du den ganzen Tag? Gut, man könnte seinen Hobbys frönen … Musik hören … und, und, und.
(Quelle: Andrea Piacquadio, Pexels, freie Verwendung)
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Mit der Rubrik "Musik zum Sonntag" hier im Blog konnte ich dem Thema Musik hören seit Jahren nachgehen, das sogar noch als anständige Arbeit verkaufen und sogar noch ein wenig Geld damit verdienen. Ok, so locker flockig, wie es hier im Text rüber kommt, ist es denn doch nicht gelaufen. Als selbständiger Künstler bist Du Unternehmer und ich kenne auch die Zeiten "6 Monate kein roter Heller an Einnahmen", dafür gab es auch fette Zeiten, in denen ich die Spardose für magere Zeiten füllen konnte. Bedingt durch die oben skizzierten beruflichen Umbrüche hatte ich auch das Thema "Kontenklärung bei der gesetzlichen Rentenversicherung" für meine Wenigkeit und für meine Ehefrau im Blick. War seit vielen Jahren alles in trockenen Tüchern – es hieß "Du brauchst einfach nur abzuwarten, dann fällt dir die Rente irgendwann wie eine reife Pflaume in den Schoß".
Und da war da noch die doofe Sache mit dem Sportunfall im März 2015, dem Quasi-Genickbruch, einer zeitweisen Querschnittssymptomatik und den 18 Monaten Arbeitsunfähigkeit. Nach 18 Monaten läuft die Krankengeldzahlung durch die Krankenkasse in Deutschland aus – und danach wollte mich die Künstlersozialkasse, in der ich seit Ende 1993 Zwangsmitglied war, rauswerfen. Die Begründung: Ich möge Erwerbsunfähigkeitsrente oder Rente mit 60 beantragen (wäre gegangen), denn ich könne ja nicht mehr arbeiten …
Mit was für einen Scheiß Du dich als selbständiger Künstler herumschlagen musst. Also gegen den formalen Bescheid erfolgreich Widerspruch geführt, und ab Oktober 2016 langsam im Umfang von etwas mehr als 3 Stunden täglich wieder als Schriftsteller einsteigen, um sich vielleicht den Lebensunterhalt zu verdienen und nicht auf die Spardose für schlechte Zeiten angewiesen zu sein. Bedingte aber, dass ich mich seit diesem Zeitpunkt mit den gesetzlichen Regelungen zur gesetzlichen Rente auseinander setzen musste und ich bin die letzten Jahre – aus gesundheitlichen Gründen – auf Sicht gefahren. Rente mit Abschlägen wollte ich vermeiden – und als abschlagsfreie Rente mit 63+ möglich gewesen wäre, habe ich darauf verzichtet. Denn einmal ging es mir langsam gesundheitlich besser und gab es da die Hinzuverdienstgrenze, ab der einem Einnahmen auf die Rente angerechnet werden. Ein Schriftsteller kann aber seine Einnahmen nicht planen, mal bist Du oben, mal frisst Du trocken Brot. Und da war ja noch "schönstes Amt neben Papst"…
Also habe ich die betreffenden Termine, die in meinen Renteninformationen für frühzeitige Inanspruchnahme von Rente genannt wurden, verstreichen lassen. Theoretisch war ich auch sehr, sehr gut über die vielen Winkelzüge des Rentenrechts informiert (oder wusste, wo ich spezielle Fragestellungen mit einem Rentenberater abklären konnte) – habe ja schließlich gelegentlich darüber gebloggt (z.B. Rente durch Pflegepunkte von Angehörigen aufbessern, was meiner Frau praktisch genutzt hat, oder Kürzung der Witwenrente bei Versorgungsausgleich) – wie die Beiträge am Artikelende zeigen. Auch für Familienangehörige musste ich in die Bresche springen, habe mich durch Anträge für Witwenrente gekämpft und beim Thema Rentnerin aus der Landwirtschaftlichen Krankenkasse rausgeworfen den Amtsschimmel vor der Apotheke kotzen sehen. Hey, lasst mich durch, ich kenne mich nun aus!
Man könnte es auch auf den Punkt bringen: Von nix eine Ahnung, davon aber ganz viel. An dieser Stelle formuliere ich es mal vorsichtig: Schließt sich am Ende der Kreis, denn am Anfang dieses Artikels hat ein kleiner Lehrling theoretisch auch alles gewusst, aber praktisch gepatzt … daher die Frage, ob das auch praktisch mit dem Thema Rente so hinhaut … und am Ende des Tages alles gut geht?
Weil es gerade passt und so mancher Zeitgenosse darüber nachdenkt, früher in Rente zu gehen, aber Abschläge zu vermeiden. Es gibt die Möglichkeit, ab 50 Jahren freiwillige Sonderzahlungen für die gesetzliche Rente zu leisten, um Abschläge zu kompensieren (linke Tasche, rechte Tasche). Details gibt es beim Rentenberater oder bei Deutsche Rentenversicherung. Die Kollegen hier haben da aktuell was zu geschrieben. Das sollte man sich aber sehr gut überlegen, wer früh verstirbt, hat dann ggf. viel Geld ausgegeben, ohne das auch nur annähernd als Rentenzahlung zurück bekommen zu haben. Es ist eine Wette auf das Leben – da kann man auch in Aktien oder ETFs investieren – ist vermutlich sicherer. Also genau erkundigen, was Sache ist.
Hey, ich werde Rentner … bald!
Bedingt durch die oben skizzierte Entwicklung ergab es sich, dass ich über die letzten Jahre häufiger einen Blick in die Renteninformation meiner Frau und meiner Wenigkeit warf und plötzlich feststellte: Junge, am 1. März 2021 ist es so weit. Deine Frau darf dann mit 63 Plus als langjährige Versicherte mit 45 Jahren Beitragszeit abschlagsfrei in Rente (das haben wir nach einer Rentenberatung vor einigen Jahren auf den Monat genau als Punktlandung hin gekriegt). Und ich hatte an diesem Termin nicht nur meine 47 Beitragsjahre voll, sondern auch die gesetzliche Altersgrenze 65 + X Monate erreicht – ein möglicher Zuverdienst durch meine schriftstellerische Tätigkeit wäre unschädlich.
Ich hatte mir auch schon überlegt: So einfach abrupt aufhören, und in Pantoffeln den ganzen Tag herum sitzen, um auf den Abend zu warten und die Frau zu nerven, geht nicht. Zudem war da noch die Sache mit meiner Frau, die letztes Jahr meinte: Du gehst ja 2021 in Rente, miste schon mal dein Büro aus. Es gibt schon doofe Ideen und Scheiß-Tage, wo Du nicht aufstehen solltest. Ehrlich, ich hab's versucht, ich schwör! Die gemachte Erfahrung, dass die Theorien der Marie Kondō irgendwie nicht ganz stimmen, musste ich dann gleich literarisch verarbeiten (Ich hab die Marie Kondō gemacht … Teil 1).
Nach 14 Tagen hatte ich mich vom Absturz erholt – und die als Drohung empfundene Bemerkung meiner Frau "Wenn Du mal in Rente bist, ich hab noch viel Arbeit für dich, der Keller müsste aufgeräumt werden, und …" endete mit meiner Feststellung "Isch geh net in Rente, niemals nicht". Glücklicherweise kam mir Jan, geh Du voran – Hofers letzte Tagesschau … in die Quere. Was Jan Hofer kann, arbeiten bis fast 70, kannst Du doch auch, war die Überlegung – lasse es halt langsamer angehen und überhaupt, hast ja schönstes Amt neben Papst – und die alten Päbste gingen auch nicht in Rente …
Wir steigen dann mal einfach ein …
Das Unheil nahm Mitte November 2020, an einem regnerischen Samstag-Nachmittag, seinen Lauf. Wegen Corona waren ja alle Stellen, wo ein Rentenantrag eingereicht werden konnte, geschlossen. Die aktuellen Renteninformationen hatte ich im Oktober 2020 bereits von der Deutsche Rentenversicherung angefordert. Das ist auf deren Seite online möglich. Und ein Rentenantrag lässt sich auch online als eAntrag stellen.
"Es regnet, wollen wir uns um die Rente kümmern?" lautete die harmlose Frage der besten Ehefrau von Welt am Frühstückstisch, die Mann aber gerade gar nicht gebrauchen konnte, Samstag war mental versaut, denn Rentenantrag stellen kommt auf der "Lust-Skala" direkt hinter "wolle mer endlich unsere Steuererklärung machen". Egal, kurze Zeit später hockten wir, bewaffnet mit zwei Rentenordnern, vor dem PC. Da meine Frau der gefühlt "einfachere Fall" war, zog ich deren eAntrag zum Test vor.
Rentenversicherungsnummer auf der Formularseite eingeben und sich durch die Fragen führen lassen. Wolle se Rente? Na klar! Ab wann? Na, sofort! Und wieviel? Millionen, wenn geht. Ok, ich hab mal wieder geflunkert, die Willensbekundung, dass man Rente will, wird ja mit dem Antrag gegeben. Der Rentebeginn lässt sich in der Renteninformation ablesen und die Rentenhöhe ergibt sich aus dem Einzahlungsverlauf und wird ebenfalls in der Renteninformation ziemlich genau angegeben (es kann sich höchsten noch um einige Cents ändern, wenn bis zur Rente gearbeitet wird). Die Fragen drehen sich auch um Krankenkasse, ob man weiter arbeiten will und auf welches Konto die Rente soll. Alles kein Hexenwerk und gut erklärt.
eAntrag für die Rente
Das Ganze erwies sich als echt easy – ich hatte sogar das Gefühl, dass anhand der Versicherungsnummer schon Daten ergänzt wurden – denn es gab bei meiner Frau keine Möglichkeit, Kindererziehungszeiten einzugeben, die Optionen waren gesperrt und als vorhanden angegeben (auch meine Lehrlingszeit war in meinem Antrag bereits aus dem Rentenbeitragszahlungsverlauf berücksichtigt). Nach einer guten halben Stunde war der Rentenantrag meiner Frau fertig und abgeschickt.
Gleich das Ganze in Grün für meinen Rentenantrag hinterhergeschoben. Dauerte vielleicht eine Stunde länger, weil bei mir als Künstler einige zusätzliche Fragen zu beantworten waren. Antrag fertig gestellt und abgeschickt, und das sogar 3 1/2 Monate vor Rentenbeginn – das muss ja klappen … (allgemein hieß es "Rentenantrag frühestens drei Monate vor Renteneintritt stellen, vorher wird der nicht angenommen").
Eine Woche später lagen zwei Eingangsbestätigungen für die Rentenanträge, versehen mit dem Hinweis, doch bitte auf Rückfragen zum Sachstand zu verzichten, im Briefkasten. Na bitte, hat geklappt, läuft …
Einige Tage später kam ein Brief, dass meine Frau in der Krankenkasse der Rentner als Mitglied aufgenommen und als Rentnerin versichert sei. Da die Rente noch 3 Monate entfernt war, hat meine Frau bei der Krankenkasse angerufen – aber es hieß "alles in Ordnung, das geht so, sie sind auch bis zum Eintritt der Rente bei uns weiterhin versichert". Ein weiterer Brief der Deutsche Rentenversicherung an meine Frau wollte wissen, ob sie noch arbeite. Anruf mit dem Hinweis "Nein, ich arbeite nicht mehr", und die Antwort der Sachbearbeiterin "Gut, dann mache ich das jetzt fertig, wieder ein Antrag abgearbeitet". 14 Tage später flatterte meiner Frau der Rentenbescheid in den Briefkasten und kurz danach kam bereits ein Rentnerinnen-Ausweis – und Ende März 2021 folgte prompt die erste Rentenzahlung.
Hellauf begeistert, noch …
Normalerweise halte ich es ja mit der Filmfigur des Kommissar Bienzle im Stuttgarter Tatort, der mal meinte "Net geschennt, isch gelobt genug" – aber ob der obigen Erfahrungen brach ich vor einigen Monaten echt in Jubel aus: Boah, das ist ja mal ne coole Sache, die haben es echt drauf bei der Deutsche Rentenversicherung, lief ja echt geräuschlos ab.
Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, das dicke Ende kam noch. Denn am 1. März 2021 hatte ich, außer der Eingangsbestätigung meines Rentenantrags, nichts von meinem Rentenversicherungsträger gehört. Aber ich war doch Rentner? Oder etwa nicht? Ich habe ab dem 1. März täglich Stunden in der Küche am Fenster gestanden, und auf die Laster mit der Aufschrift "Rente für Born", die dann in unsere Straße einbiegen, gewartet. Die Schubkarre, um den ganzen Zaster in den Keller zu bringen, stand auch schon bereit. Und wenn ich den Briefkasten klappern hörte, gingen meine Frau oder meine Wenigkeit nachsehen, ob nun endlich der Rentenbescheid für mich eingetroffen wäre …
Ok, ok, ist jetzt schamlos geflunkert. Ich habe gar keine Schubkarre – und es gibt ja noch die Sache mit "schönstes Amt neben Papst", also habe ich keine Zeit, um auf Laster zu warten …
Wir finden sie nicht …
Ende März bzw. Anfang April passierten zwei Dinge. Mein Mädel konnte einen Geldeingang, tituliert als Rentenzahlung, auf ihrem Konto vermelden. So ganz spontan beschloss ich "dat beste Ehefrau von Welt musste jetzt aber janz feste drücken und die Füße küssen", denn mich deuchte, dass ich demnächst von Luft (verschmutzt) und Liebe (mit zunehmendem Alter immer schwieriger) und der schmalen Rente meiner Holden leben müsse.
Und ich machte drei Kreuze, dass ich – wegen schönstes Amt neben Papst und so – meine Selbständigkeit ob der Rente noch nicht aufgegeben hatte. So waren noch Einnahmen gesicherte. Denn ich stellte beim Blick auf mein Konto fest, dass die Künstlersozialkasse Anfang April die Beiträge für Renten-, Pflege- und Krankenversicherung März 2021 in der bisherigen Höhe eingezogen hatte. Da war die Künstlersozialkasse so ganz und gar nicht auf "Born ist jetzt auch Rentner" eingestellt.
Also am Mittwoch vor Ostern die Eingangsbestätigung für den Rentenantrag gegriffen, die Bitte von Nachfragen zum Sachstand abzusehen ignoriert und in Berlin angerufen. Leider nur eine Bandansage "Wegen Corona und erhöhten Nachfragen haben wir die telefonischen Beratungszeiten reduziert. Rufen Sie zwischen … an". Also am Gründonnerstag um 9 Uhr angerufen und in der Warteschleife verbracht – ein Feeling wie Corona-Impftermin buchen. Irgendwann hat es geklappt und ein Mitarbeiter meldete sich. Also habe ich die Versicherungsnummer und das Anliegen genannt und gemeint "ich möchte jetzt wissen, was Sachstand ist – bin seit 1. März Rentner, warte auf die Laster mit dem Zaster und nix passiert – aber es pressiert …".
"Moment …" ein hektisches Tippen. "Kann ich sie zurückrufen, ich kann sie hier bei uns nicht finden …" war die Antwort. Oh Mann, dich gibt's ja gar nicht, dabei heißt Du nicht mal Bielefeld, schoss es mir durch den Kopf. Also aufgelegt und sich dem schönsten Amt neben Papst gewidmet, damit der Rubel weiter rollt. Eine halbe Stunde später klingelte tatsächlich das Telefon im Büro und es meldete sich eine total betretene Sachbearbeiterin "ich habe Sie doch noch gefunden, aber es ist noch nichts passiert, wir warten auf die Daten der Künstlersozialkasse, die wir angefordert haben". Als ich meinte, ob meine Handakte im Keller aufgetaucht sei und ich ohne Rückfrage bis Ultimo auf meine Rente gewartet hätte, entgegnete die Dame "Ganz so schlimm ist es nicht, seit Herbst 2020 ist alles digitalisiert und es gibt eine Revision, die liegen gebliebene Fälle irgendwann bemängelt".
Wir spielen Beamtenmikado
Ich habe mir dann meinen Ordner mit den Unterlagen der Künstlersozialkasse (KSK) geschnappt und in Oldenburg angerufen, um den Sachstand zu erfahren. Aber wenn etwas schief geht, dann richtig. Ich konnte zwar meine Versicherungsnummer nennen, aber es hieß gleich: Ich kann nichts nachschauen, wir haben den ganzen Tag schon IT-Ausfall. Aber haben Sie denn schon eine Kopie Ihres Rentenbescheids geschickt, ohne diese Kopie können wir nichts machen …
Prima, jetzt war ich quasi in ein Beamtenmikado geraten "Wer sich zuerst bewegt, hat verloren". Oldenburg wollte eine Kopie des Rentenbescheids, den ich nicht hatte, um überhaupt etwas machen zu können. Die Deutsche Rentenversicherung in Berlin konnte diesen Bescheid nicht ausstellen, weil die Daten der KSK aus Oldenburg nicht vorlagen. Nach einigen Semestern Informatikstudium kenne ich natürlich den Fachbegriff für diese Situation in der Computertechnik – nennt sich Dead-Lock (auf Deutsch als gegenseitige Blockade zu umschreiben).
Die Dame in Oldenburg meinte noch "Treten sie denen in Berlin auf die Füße, damit die in die Hufe kommen, die haben das alles liegen gelassen …". Ich hatte gerade aufgelegt, als das Telefon erneut klingelte. Es war die Sachbearbeiterin von Deutsche Rentenversicherung dran und fragte, ob ich Angestellter der KSK sei oder freier Künstler. Als ich letzteres bejahte, hieß es "wir fordern jetzt die Nachweise der Rentenzahlungen für Januar und Februar 2021 von der KSK an, damit es weiter geht, und ich lege mir den Vorgang für Ende April 2021 auf Wiedervorlage".
Tscha, bin ich jetzt Rentner oder nicht? Ich habe lange überlegt und bin zwischen Begrifflichkeiten wie "Rentner ohne Rente" und "noch arbeitender Möchte-Gern-Rentner, der noch wartet" hin und her geschwankt. Sind aber so furchtbar lang zu buchstabieren, wenn ich so unverhofft nach meinem aktuellen Status gefragt werden würde. Also habe ich mich für den Status "Pseudo-Rentner" entschieden. Ich gehe ganz normal meinem "schönsten Amt neben Papst" nach, tue aber so, als wäre ich schon Rentner. Heißt: Bei schönem Wetter Büro zu und mit der Frau spazieren gehen oder im Garten unterwegs sein, gelegentlich fotografieren und überlegen "was wäre, wenn du jetzt Rentner wärst …".
(Quelle: Andrea Piacquadio, Pexels, freie Verwendung)
Aber es herrscht so eine gewisse Unruhe und nachts hat man schon mal die seltsamsten Sachen geträumt – so am Laptop sitzen, noch arbeiten und nebenbei die Rente zählen … weiß noch nicht so recht, was ich davon halten soll.
PostScript: Ich habe vor einigen Tagen in Oldenburg bei der KSK angerufen und nachgehakt, ob die was Neues wissen. Hintergrund war ein Schreiben der KSK, was mir zeigt, das ich mit Verwaltungen nicht kompatibel bin. Auf meine Meldung bei KSK "Hallo, ich will in Rente, schickt mir das Formular, um dem Vorab-Einzug der ausstehenden Rentenbeiträge für Jan./Feb. zuzustimmen", kam ein Anhörungsbogen, ob ich weiter aktiv sein wolle, was ich verdiene und ob ich weitere Rentenbeiträge zu zahlen gewillt sei. Hab natürlich das Formblatt mit einer Sozialversicherungsnummer ausgefüllt und kein Kreuz im Kästchen "Ich will Rentenversicherungsbeiträge bis zum Grab zahlen – und mir ist bewusst, dass ich diese Entscheidung nicht widerrufen kann" gemacht. Denn ich will als Rentner keine Rentenversicherungsbeiträge mehr auf mein ggf. erzieltes Einkommen zahlen.
Nun kam plötzlich die Nachfrage, ob ich denn schon den Rentenbescheid habe. Und dem Schreiben lag mein Bogen über die Rentenversicherungsbeiträge, zusammen mit dem Vermerk, dass ich das Kästchen ja nicht angekreuzt hätte bei und ich möge mich artikulieren. Hab mir den Wisch noch drei Mal durchgelesen, kam aber zum Schluss, alles richtig gemacht zu haben. Doof, wenn Du nicht mit der Verwaltungsdenke kompatibel bist. So als Techniker hätte ich bei dem Wisch zwei Optionen:
[ ] Ja, ich will weiter Rentenversicherungsbeträge zahlen
[ ] Nein, ich verzichte zukünftig auf die Zahlung der Rentenversicherungbeiträge
eingefügt, verbunden mit der Bitte das Zutreffende anzukreuzen und der Belehrung, dass diese Entscheidung nicht mehr änderbar sei. Wäre dann klar wie Kloßbrühe gewesen, wenn jemand ein Kästchen ankreuzt (nur die Fälle kein oder beiden Kästchen angekreuzt wären noch Problembären oder ein Fall von Witzbold).
Mit diesem Sach(ver)stand in Oldenburg bei der KSK angerufen. Erste Frage der Sachbearbeiterin war: Haben Sie uns die Kopie des Rentenbescheids schon zugeschickt? … Musste ich natürlich negieren. Auf meine Frage, was ich denn nun mit dem Rentenbeitrags-Formular machen solle, wo der Sachbearbeiter eine Erklärung erwarte, meinte die Dame am Telefon: Das ist ganz einfach, wenn Sie weiter Rentenversicherungsbeiträge zahlen wollen, machen Sie das Kreuz und schicken das zurück. Wollen Sie nicht mehr zahlen, werfen Sie einfach das Formular weg.
Tolle Wurst – die Leute erwarten eine Rückmeldung, aber statt das Formular eindeutig zu gestalten, fordern sie ein doppeltes Opt-in in Form von "Formular zurückschicken, dass man weiter Rentenbeiträge zahlen möchte" und durch "explizites Ankreuzen der Option [ ] Ja, ich möchte zahlen". Meldet Du dich nicht, fehlt die Willensäußerung, Du zahlst also als Rentner nicht mehr in die Rentenversicherung ein -> die Jungs entscheiden also in einem Verwaltungsakt auf Grund fehlender Rückmeldung für dich (so ein Brief kann ja schon mal in der Post verloren gehen). Na ja, Logik und Verwaltung stellen wohl ein Oxymoron dar.
Immerhin funktionierte die IT und die Sachbearbeiterin konnte sehen, dass die ausstehenden Informationen über die Rentenbeitragszahlungen für Januar und Februar 2021 "letzten Montag nach Berlin übermittelt worden waren". Donnerwetter, hat der reitende Bote zwischen Berlin und Oldenburg ganze 14 Tage für die Übermittlung der Anfrage gebraucht. Wenn das ich diesem Tempo so weiter geht, habe ich meine Corona-Impfung noch "vor der Rente". Aber wie heißt es so schön "man soll die Hoffnung nie aufgeben, die deutsche Bürokratie malt langsam, dafür aber gründlich".
Als hätte ich es nicht geahnt, als ich vor fast 52 Jahren als Lehrling gestartet bin und dann diese Bruchlandung mit der Zwischenprüfung hingelegt habe. War einfach ein böses Omen, damals. Ach Quatsch, damals habe ich in meiner jugendlichen Unbekümmertheit noch nicht an Rente gedacht und nach dem Desaster mit der Zwischenprüfung darüber sinniert "Du könntest ja auch reich heiraten". Aber auch das hat nicht geklappt – die reichen Mädels wollten mich nicht haben – und als eines ja gesagt hat, waren wir bettelarm wie die Kirchenmäuse … wenn es mal schief läuft, dann aber gründlich. Leben kann schon Abenteuer sein und ist am Ende sogar tödlich.
Psst, noch ein Secret: Im März und im April war bei mir in den IT-Blogs "die Hölle" los, weil es größere Sicherheitsvorfälle im IT-Bereich gab und ich da als Blogger, teilweise weltweit als Erster, drüber berichtet hatte. Mein Webserver, auf denen auch dieser Blog läuft, quietschte aus allen Ecken ob der Last durch die Besucher und ich hatte alle Hände voll zu tun, das alles am Leben zu halten. Teilweise hatte ich nicht nicht mal die Zeit, um auf's Klo zu gehen. Man muss auch mal Glück haben im Leben – auch wenn es in der Zeit als Pseudo-Rentner ist. Am Ende des Berufslebens stehe ich quasi im Zenit des Erfolgs – dabei wollte ich es doch mit Rente etwas langsamer angehen lassen. Immerhin weiß ich jetzt, warum das Ding Unruhestand heißt … aber das von meinem, leider verstorbenen, Kölner Lektor oft zitierte Kölsche Grundgesetz mit §3 "Et hätt noch immer jot jejange" (es ist noch immer alles gut gegangen) hat sich irgendwie wieder bewahrheitet. Und so sitze ich hier und denke "kommt Zeit, kommt Rente".
Beim Beamten-Mikado gewonnen …
Ergänzung: Wir haben den 26.5.2021 – fette 6 Monate, nachdem ich den Rentenantrag auf Bezug der Regelaltersrente gestellt hatte. Am Pfingstsamstag muss der Rentenbescheid aus Berlin bei uns im Briefkasten gelandet sein – meine Frau hat erst Dienstag nach Pfingsten nachgeschaut. Jetzt bin ich also offiziell Rentner – und im Unruhestand.
Auf den Laster mit dem Zaster habe ich aber vergeblich gewartet. Denn die Deutsche Rentenversicherung hat unbar für März bis Juni 2021 überwiesen und verspricht hoch und heilig, ab dem 1.7.2021 regelmäßig meine Rente zu überweisen.
Dieser Einmal-Betrag für gleich mehrere Monate sah dann auch recht stattlich aus – und mir zuckte so "wenn es das jetzt jeden Monat gäbe, könntest Du glatt auf Kreuzfahrt gehen" durch den Kopf. Gibt es aber nicht, denn dafür hätte ich viele Jahre Minister oder vielleicht Bundeskanzler sein müssen. Und außerdem ist ja immer noch Corona, Kreuzfahrten langweilen vermutlich nach kurzer Zeit, und für einen für einen Cupra Born reicht es auch nicht. Leben kann schon heftig sein, der "Himmel weint" schon seit Tagen, man kann ohne Schirm nicht raus. Fehlstart in die Rente?
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Tolle Story! ;-)
Ich habe noch ein paar Jahre, aber mir graut es jetzt schon vor dem "Papier"-kram.
PS: Zweimal Suchen und Ersetzen würde ich empfehlen…
1.) Pabst -> Papst (Als "Elektriker" denkst Du wahrscheinlich an die Lüfterfabrik)
2.) Sachverstand -> Sachstand (Da habe ich etwas gebraucht, a la "Da ist was falsch – aber was?")
Zwei Wünsche:
1.) Voller Empathie: Alles Gute für dich und die beste Ehefrau der Welt (Außer meiner natürlich).
2.) Voller Egoismus: Lass das Windows-Blog noch gaaanz lange am Leben ;-)
Up, hast mich und Siggi Freud erwischt – ich träume immer noch Nachts von Pabst-Lüftern – so was wollte ich schon als kleiner Junge werden – ständig unter Strom, immer nur pusten und Staub aufwirbeln. Aber man hat mich nicht gelassen … und das mit dem "fast wäre ich Papst geworden" ist mir auch in der zarten Jugend versaut worden. Hatte es mal andernorts thematisiert.
Zur Erstkommunion war der Cousin meiner Mutter auch zu Besuch. Der war wohl als Priester beim Bischof oder im Dom zu Trier aktiv. Der nahm mich zur Seite und meinte "Günter, gehe auf's Gymnasium und lerne gut, dann kannst Du Pastor werden …" – ich hörte nur "werde Papst" und ab da war Gymnasium für mich ein No Go. Meine Mutter hat mir kurz vor ihrem Tod erzählt, dass ich mich mit Händen und Füßen gegen das Gymnasium gesträubt hätte – und mir fiel sofort diese Episode als Grund für die Weigerung ein.
Also mit dürren Worten: Papst oder Pabst ist mein persönliches Waterloo, mit beidem ist es nix geworden ;-). Nennt sich "Chaos-Theorie by Born" – der Flügelschlag eines Schmetterlings in Asien vor fast 60 Jahren hat entschieden, ob ich Papst werde oder heuer Rente kriege. Dolle Erkenntnis im hohen Alter.
"Künstler", alles klar ;-)
Es kommt immer auf die Betrachtungsweise an. Worüber solltest denn bloggen, ohne diese schönen Geschichten. Unterbewusst produzierst Du die wahrscheinlich sogar, in Verbindung mit schwebenden Schmetterlingen ;-)
Als ich die "Teilnahmebedingungen" (Lotterie, oder wat) zum eRentenantrag zu lesen anfing, mitdenkende Logik, auf eigene Gefahr und dann per Mail. Ohne mich!
Papier ausgefüllt (6 Monate vor Stichtermin) , Kopie gescannt, beim örtlichen Rententräger pers. abgegeben, die freundliche Dame schickt das mit der Hauspost nach Berlin.
Ohne Covid hätte ich den Antrag sogar checken lassen können.
Servus,
der oldschool Rentner