Wissen zum Muskelaufbau mit EMS – II

GesundheitGeschwächte Muskeln (z.B. nach Krankheit oder Operationen) mit Strom wieder aufbauen, das verspricht die EMS-Methode. Physiotherapeuten setzen das zur Behandlung ein. Entsprechende Geräte gibt es für den Heimgebrauch. Nach einer Einführung in das Thema in Teil I stelle ich nun Informationen rund um EMS zusammen.


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EMS = Electrical Muscle Stimulation

Elektrischer Strom kann Muskeln zur Kontraktion bringen und diese ggf. so trainieren. Speziell bei Nervenverletzungen versucht man in Therapiesitzungen durch Strom die Muskeln zu Bewegungen anzureizen, so dass die Fasern nicht atrophieren. Die Wikipedia liefert hier einige Erklärungen zur EMS-Wirkungsweise. Dort lässt sich auch folgende Erklärung nachlesen:

Die Impulse mit Reizstrom erfolgen jeweils im Wechsel mit kurzen Pausen. Während der Impulsphasen wird der Muskel über seine Reizschwelle gebracht und es kommt zur Muskelkontraktion. Die Intervalle ahmen die natürliche Muskelbewegung nach. Sobald sich der Mensch bewegt, sendet das Gehirn Impulse an die Muskeln.

Durch die Verwendung von Reizstrom werden die Impulse nicht von innen, sondern von außen an die Muskeln gesendet, sodass sich diese während der Impulsphase zusammenziehen und während der Pausen entspannen.

In Kombination mit Bewegungen verstärkt sich der Effekt und die Muskeln können schneller aufgebaut werden. Die Ausdauer kann durch Reizstrom nicht verbessert werden. Die elektrischen Impulse eignen sich lediglich zum Muskelaufbau.

Der obigen (Wikepedia)-Aussage, dass durch Stromreize auf den Muskel dessen Atrophierung verhindert werden könne, steht die folgende Wikipedia-Aussage entgegen:

Da die Stimulation nicht über den physiologischen Weg (Nervensystem → Muskel) abläuft, sondern auf direkte Art erfolgt, ist die Elektromyostimulation nur begrenzt sinnvoll einsetzbar.

Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit ist insgesamt sehr dünn und zeigt keinen vergleichbaren Effekt zu körperlichem Training.

Das deckt sich mit den Hinweisen meines Physiotherapeuten (siehe Teil 1), der die Methode bei einem früheren Arbeitgeber zur Behandlung einsetzte, dies aber in der eigenes Praxis nicht mehr anbietet. Nach dessen Aussagen war die Bedienung der Geräte zu kompliziert und die Ergebnisse nicht wirklich ermunternd.

Gibt es neuere Erkenntnisse?

Ich habe im Rahmen dieser Artikelreihe einiges im Internet recherchiert. In diesem Buchauszug auf Google Books wird die EMS-Anwendung im Sport beschrieben. Hochleistungssportler nutzen diese Methode gezielt, um Trainingseffekte zu verbessern. Das kann aber keine Leitlinie für die therapeutische Anwendung der EMS-Methode sein.

Der NDR-Beitrag hier aus 2018 betont die positive Wirkung von EMS bei der Physiotherapie, ist aber nicht durch Quellen wirklich belegt. Auch dieser Artikel aus der Ärztezeitung ist bezüglich Quellenangaben wenig hilfreich. Der Beitrag aus Physiotherapie-Wissen bietet leider auch nur allgemeine Beschreibungen und bringt wenig Fakten.

Auch der Beitrag zu EMS auf gesundheit.de kommt über eine allgemeine Beschreibung samt Hinweisen zur Häufigkeit der Anwendung auch nicht hinaus. Die Apotheken-Umschau zitiert hier Professor Dr. Klaus-Michael Braumann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) mit "EMS-Training ist ein nützliches Instrument, um Muskelmasse aufzubauen". Das sind alles Meinungen und nicht 'wissen'.

Dieser Buchauszug aus Google Books befasst sich mit EMS-Training zur Linderung von Rückenschmerzen und benennt einige Referenzen aus der Literatur. In der Cochrane-Auswertung Muscle stimulation for weakness in adults with advanced disease wurden 18 klinische Studien ausgewertet.  In den Studien wurden neuronale Elektro-Muskelstimulation (NMES) entweder mit keinem Training, Placebo-NMES oder Krafttraining in Gruppen von Menschen mit fortgeschrittener chronischer Atemwegserkrankung, chronischer Herzinsuffizienz und/oder Lungenkrebs verglichen.


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Ergebnis: NMES schien bei Probanden bei der Verbesserung der Oberschenkelmuskulatur effektiver zu sein als bei den Probanden unter Kontrollbedingungen. Es wurde auch ein positiver Effekt auf dieses Ergebnis beobachtet, wenn präzise Messungen zur Beurteilung der Muskelmasse verwendet wurden. Der Nachweis für einen Effekt von NMES auf die Leistungsfähigkeit der Muskulatur war allerdings nicht eindeutig. Das lässt sich so interpretieren: Muskeln lassen sich zwar ggf. aufbauen, aber deren Leistung wird durch EMS nicht verbessert. Hier muss Training hinzukommen.

Die NASA hatte eine Studie zur Untersuchung des EMS-Effekt beim Aufenthalt im Weltall für 2013/2014 geplant. Und ich bin bei der NASA auf diese Studienergebnisse aus dem Jahr 2015 gestoßen, wo eine Verbesserung der Muskel- und Knochenmasse bei einem Astronauten (im Rahmen eines Versuchs mit Kombination EMS und klassischem Training) berichtet wird.

Die Kernbotschaft: Es gibt wohl einen Effekt und in der Physiotherapie wird EMS irgendwie angewandt. Ob aber eine Zunahme der Muskulatur durch Training oder EMS oder beides erfolgt, ist nicht immer so ganz klar. Alles in allem sind das alles keine harten Belege.


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Was man sonst noch wissen sollte

Das mir vorliegende EMS/TENS-Gerät verfügt über 15 Sport-Programme zum Muskelaufbau sowie über 3 Massage-Programme zur Entspannung und zur Verbesserung der Durchblutung. Ich selbst konnte bei Anwendung verschiedener EMS-Programme folgendes feststellen:

  • Oft waren die Muskeln nach einer gewissen Zeit doch arg erschöpft. Es gibt also eine Wirkung des Strome auf die Muskeln.
  • Aber nur in guten Phasen wirkte sich EMS positiv auf die Muskulatur aus und ich hatte das Gefühl, dass die Verspannungen sich leicht besserten.

Dies wurde mir auch von anderen Personen bestätigt, die positive Wirkung durch die von EMS-Geräten angebotenen Massage-Programme beschrieben.

Eine positive Seite des EMS-Geräts kann ich auf jeden Fall angeben. Wegen der Verspannungen durch die atrophierte Muskulatur des Schulter-/Nackenbereichs hatte ich mir ein mechanisches Massagegerät meiner verstorbenen Eltern mitgenommen. Eine nur wenige Minuten dauernde Sitzung mit diesem Gerät führte zu extremen Spasmen der Muskulatur. Für meinen Physiotherapeuten, dem ich dies erzählte, war dies klar. Die gleichmäßigen Massagebewegungen des Geräts regten die Muskeln zu Spasmen an. Bei den Massageprogrammen des EMS-Geräts variieren die Zeiten und Frequenzen, so dass keine Spasmen auftraten. Diese Informationen habe ich auch in Internetforen als Rückmeldung von Betroffenen gelesen.

Ein Aufbau von Muskelmasse konnte ich im Bereich der atrophierten Muskeln bisher nicht beobachten. Aber die klassischen Übungen zum Aufbau der Muskeln führten zwar zur Zunahme der Muskelkraft. Aber die feinen Muskeln, die sich nicht bewusst ansteuern lassen, konnten bisher nicht, oder nicht soweit aufgebaut werden, dass ich weniger Beschwerden habe.

Allerdings bin ich wohl auch ein 'besonderer Fall', da ich Aufbauzeiten nicht in Tagen oder Wochen, sondern in Monaten und Jahren bemesse. Ich habe alleine 6-7 Wochen nach meinem Unfall gebraucht, um den rechten Arm im Liegen wieder beugen zu können. Nach 8-9 Wochen konnte ich einen Puddinglöffel mit Joghurt einmalig pro Mahlzeit zum Mund heben. Nach 12 Wochen war es mir möglich, eine Teetasse abwechselnd mit der rechten oder der linken Hand zum Mund zu führen. Ich habe ca. fünf Monate nach dem Unfall über Wochen mit 0,5 Liter Plastik-Flaschen, die zu 25, 50, 75 und 100 % gefüllt waren, 'Gewichtheben' trainiert. Bin dann auf 1 Liter Plastikflaschen umgestiegen und konnte nach ca. 1 Jahr auf 2 kg Kurzhanteln zum Stemmen wechseln. Anfang 2018 bekam ich 5 kg Kurzhanteln gerade einmal 2-5 Mal gestemmt. Jetzt, um November 2018 kann ich zwei 6 kg Kurzhanteln gut 10 – 12 Mal stemmen. Es geht aufwärts, aber langsam.

Hier ist meine Schlussfolgerung, dass jeder Patient selbst probieren sollte oder muss, ob EMS geeignet ist. Auf dieser Seite eines Geräteherstellers finden sich noch einige Hinweise zur Wahl der EMS-Parameter (Impulsdauer, Zahl der Behandlungen, Dauer etc.).

Elektroden positionieren und Einstellungen

Hinweise zur Positionierung der Elektroden finden sich beispielsweise in diesem Internet-Dokument. Eine weitere Übersicht gibt es hier und hier. Ich bringe die Elektroden bei EMS-Sitzungen nach Gefühl auf die Stellen mit der atrophierten Muskulatur an.

Die Stromstärke stelle ich so ein, dass es noch angenehm ist. Hinweise, welche EMS-Einstellungen wo anzuwenden sind, finden sich z.B. in diesem Artikel des Herstellers axion (allerdings bezogen auf deren Geräte). Die in dieser und manchen anderen Publikationen angegebenen 'roten' Elektroden gibt es nicht bei allen Geräten – sprich: Es ist dann egal, wie die Elektroden aufgesetzt werden.

Trainieren während einer EMS-Sitzung empfinde ich als schwierig. Lösen sich dabei die aufgeklebten Elektroden teilweise ab, wirkt der Stromübergang schmerzhaft und die Muskulatur brennt unter Strom bei jeder Belastung.

Gegenanzeigen zur EMS-Therapie

Nebenwirkungen und Gegenanzeigen werden auf dieser Internetseite beschrieben. Insbesondere im Brustbereich in Nähe des Herzens, bei Implantaten und Herzschrittmachern sollte kein EMS wegen der Gefahr durch Störungen des Herzschlags oder anderer Risiken angewandt werden. Offene Wunden sind ebenfalls für EMS tabu. Sprechen Sie ggf. mit ihrem Arzt über die Verwendung von Reizstromgeräten zur EMS-Anwendung. Im nächsten Artikel befasse ich mich mit der TENS-Methode zur Schmerzreduzierung.

Artikelreihe
EMS/TENS-Geräte für Muskelaufbau/Schmerzbehandlung  – I
Wissen zum Muskelaufbau mit EMS – II
Wissen zur Schmerzbehandlung mit TENS – III
Eigene Erfahrung mit EMS/TENS und dem Gerät – IV

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