Es ist eine Sensation, die Wissenschaftler Ende März 2022 verkündeten: Der Zwergplanet Pluto besitzt enorm hoch Eisvulkane und rätselhafte Hügel von bis zu 8 km Höhe. Gefunden wurden diese geologischen Elemente auf Bildern, aufgenommen im Jahr 2015 von der Raumsonde New Horizons.
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New Horizons (englisch für Neue Horizonte) ist eine Raumsonde der NASA, die im Rahmen des New-Frontiers-Programmes am 19. Januar 2006 startete, um das Pluto-System und den Kuipergürtel zu erforschen. Am 14. Juli 2015 erreichte New Horizons als erste Raumsonde Pluto und besuchte später den Kleinplaneten Ultima Thule. Über die Mission hatte ich im Blog-Beitrag New Horizons: Ankunft im Januar bei Ultima Thule berichtet.
Die beim Pluto-Vorbeiflug aufgenommenen Fotos stehen der Wissenschaft also seit sieben Jahren zur Verfügung, bergen aber immer noch Überraschungen. Ende März 2022 ist mir obiger Tweet der NASA schon mal untergekommen. Die Botschaft: Wissenschaftler der Mission New Horizons haben sich die Daten und Aufnahmen dieses Vorbeiflugs nochmals angesehen. Dabei haben sie Beweise gefunden, dass kryovulkanische Aktivitäten – Eisvulkane – höchstwahrscheinlich einige der einzigartigen Strukturen auf Pluto geschaffen haben, die bisher noch nirgendwo sonst im Sonnensystem zu sehen waren.
Kelsi Singer, stellvertretende Projektwissenschaftlerin von New Horizons am Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, und Hauptautorin der in Nature Communications veröffentlichten Studie analysierte mit ihrem Team die Geomorphologie und die Zusammensetzung eines Gebiets südwestlich des hellen, eisigen "Herzens" von Pluto, Sputnik Planitia (in obigem Foto am unteren rechten Bildrand zu sehen).
Dabei kamen sich zum Schluss, dass mehrere Episoden von Kryovulkanismus auf dem Pluto Oberflächenstrukturen geschaffen haben könnten, wie sie sonst nirgendwo im Sonnensystem zu finden sind. Material, das von der Oberfläche dieses fernen Eisplaneten ausgestoßen wurde, könnte eine Region mit großen Kuppeln und Erhebungen geschaffen haben, die von Hügeln und Vertiefungen flankiert werden. Das Ganze wird in dieser Pressemitteilung der Wissenschaftler beschrieben.
Strukturen auf Pluto, Quelle: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/Kelsi Singer
Die kryovulkanische Region enthält mehrere große Kuppeln von 1 bis 7 Kilometern Höhe und 30 bis 100 oder mehr Kilometern Durchmesser (siehe obiges Bild), die manchmal zu komplexeren Strukturen zusammenwachsen. Unregelmäßige, miteinander verbundene Hügel, Erhebungen und Vertiefungen, so genanntes Hummocky Terrain, bedecken die Seiten und Spitzen vieler größerer Strukturen. In diesem Gebiet gibt es, wenn überhaupt, nur wenige Krater, was darauf hindeutet, dass es geologisch jung ist. Die größten Strukturen in der Region sind so groß wie der Vulkan Mauna Loa auf Hawaii. Die Wissenschaftlerin Kelsi Singer schreibt:
Anstelle von Erosion oder anderen geologischen Prozessen scheint kryovulkanische Aktivität große Mengen an Material auf das Äußere des Pluto gepresst und eine ganze Region der Hemisphäre, die New Horizons aus der Nähe gesehen hat, neu geformt zu haben.
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Selbst wenn man Ammoniak und andere gefrierschutzähnliche Komponenten hinzufügt, um die Schmelztemperatur von Wassereis zu senken – ein Prozess, der der Art und Weise ähnelt, wie Streusalz die Bildung von Eis auf Straßen und Autobahnen verhindert -, frieren die extrem niedrigen Temperaturen und der atmosphärische Druck auf Pluto das flüssige Wasser auf seiner Oberfläche schnell ein.
Da es sich um junge geologische Gebiete handelt und große Mengen an Material erforderlich waren, um sie zu schaffen, ist es möglich, dass die innere Struktur des Pluto bis in die jüngste Vergangenheit Wärme gespeichert hat. Daher konnten sich wassereisreiche Materialien an der Oberfläche ablagern, vermuten die Wissenschaftler. Kryovulkanische Ströme, die zur Entstehung der großen Strukturen fähig waren, könnten entstanden sein, wenn das Material eine zahnpastaähnliche Konsistenz hatte. Diese verhielt sich in etwa so wie feste Eisgletscher auf der Erde. Oder das Material hatte eine gefrorene Schale oder Kappe, unter der das Material noch fließen konnte.
Andere geologische Prozesse, die für die Entstehung der Merkmale in Frage kämen, seien unwahrscheinlich, so das Team. So weist das Gebiet zum Beispiel erhebliche Unterschiede in den Höhen und Tiefen des Geländes auf, die nicht durch Erosion entstanden sein können. Das Team um Singer fand auch keine Anzeichen für ausgedehnte Gletscher- oder Sublimationserosion in dem hügeligen Gelände, das die größten Strukturen umgibt.)
"Einer der Vorteile der Erforschung neuer Orte im Sonnensystem ist, dass wir Dinge finden, die wir nicht erwartet haben", so Singer. "Diese riesigen, seltsam aussehenden Kryovulkane, die von New Horizons beobachtet wurden, sind ein großartiges Beispiel dafür, wie wir unser Wissen über vulkanische Prozesse und geologische Aktivitäten auf eisigen Welten erweitern."
Bilder, die 2015 von der Raumsonde New Horizons aufgenommen wurden, enthüllten verschiedene geologische Merkmale, die den Pluto bevölkern, darunter Berge, Täler, Ebenen und Gletscher. Sie waren besonders faszinierend, weil man erwartet hatte, dass die eisigen Temperaturen in Plutos Entfernung eine gefrorene, geologisch inaktive Welt hervorbringen würden.
"Diese neu veröffentlichte Arbeit ist wirklich bahnbrechend und zeigt einmal mehr, wie viel geologische Persönlichkeit Pluto für einen so kleinen Planeten hat und wie unglaublich aktiv er über lange Zeiträume hinweg war", sagte New Horizons Principal Investigator Alan Stern vom Southwest Research Institute. "Selbst Jahre nach dem Vorbeiflug zeigen diese neuen Ergebnisse von Singer und Mitarbeitern, dass es noch viel mehr über die Wunder des Pluto zu lernen gibt, als wir uns vor seiner Erkundung aus der Nähe vorstellen konnten."
Die Studie "Large-scale cryovolcanic resurfacing on Pluto" ist Ende März 2022 in Nature Communications erschienen. Weitere Fotos finden sich in dieser Pressemitteilung.
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