Während des Mars-Frühlings entsteht auf der Südhalbkugel in in der Nähe des 20 Kilometer hohen Vulkans Arsia Mons eine Wolke aus Wassereis, die sich schnell über hunderte von Kilometern ausdehnt, bevor sie binnen weniger Stunden wieder verschwindet. Eine detaillierte Langzeitstudie enthüllt nun die Geheimnisse dieser länglichen Wolke mit Hilfe von neuen Beobachtungen der "Mars-Webcam" auf der ESA-Sonde Mars Express.
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Über den Effekt dieser Wolkenbildung hatte ich erstmals im Oktober 2018 im Beitrag Gibt es einen Vulkanausbruch auf dem Mars? berichtet. Die VMC-Web-Kamera an Bord des europäischen Mars-Orbiters MarsExpress hatte eine rätselhafte 'Wolkenfahne' über einem Vulkan fotografiert. Aber in der Mars-Region Tharsis Montes, liegen drei seit Millionen Jahren inaktive Schichtvulkane.
(Mars, Wolken, VMC-Kamera, Vulkan, Quelle: ESA, CC BY-SA 3.0 IGO)
Aber es sah wirklich wie ein Vulkanausbruch aus. Kurze Zeit später hatte ich im Beitrag Doch kein Vulkanausbruch auf dem Mars Entwarnung gegeben. Spekulationen, dass es sich um einen Vulkanausbruch handeln könnte, wurden bald von Wissenschaftlern zurückgewiesen. Es sind wohl Wolken aus Wassereis, die da fotografiert wurden.
ESA klärt das Phänomen auf
Der ESA ist es in einer detaillierter Langzeitstudie gelungen, die Geheimnisse dieser länglichen Wolke mit Hilfe von neuen Beobachtungen der "Mars-Webcam" auf der ESA-Sonde Mars Express zu enthüllen. Wie oben geschrieben, fotografierte Mars Express diese Wolke in der Nähe des Vulkans Arsia Mons, südlich des Marsäquators. Rätselhafterweise ist der Arsia Mons der einzige Ort auf dem Mars in niedrigen Breitengraden, an dem zu dieser Jahreszeit Wolken zu sehen sind – und der einzige von zahlreichen ähnlichen Vulkanen in der Region, der einen solchen Wolkenschleier besitzt. Mars Express hat diesen Schleier während der Frühlings- und Sommersaison täglich wachsen und verblassen sehen und schickte beeindruckende Bilder dieser langen und eindrucksvollen weißen Wolke zurück.
Entwicklung der Arsia Mons-Langwolke, Quelle: ESA
Allerdings ist die Wolke aufgrund der schnellen, wechselhaften Dynamik der Marsatmosphäre und der Einschränkungen vieler Umlaufbahnen der Sonde schwer in ihrer Gesamtheit zu beobachten, was das Wissen darüber, wie und warum sie sich bildet und im Laufe der Zeit verändert, einschränkt. "Um diese Hürden zu überwinden, haben wir eines der Instrumente von Mars Express eingesetzt – die Visual Monitoring Camera (VMC)", sagt Jorge Hernández Bernal von der Universität des Baskenlands in Bilbao, Spanien, Hauptautor der neuen Ergebnisse und Teil eines Langzeitprojekts zur Untersuchung der Dynamik der Wolke.
Die Arbeit von Jorge, seinen Kolleginnen und Kollegen zeigt eine spannende und vorher nicht geplante Anwendung für die VMC. Die VMC, die auch als Mars-Webcam bezeichnet wird, hat eine ähnliche Auflösung wie eine Standard-Webcam eines Computers aus dem Jahr 2003. Sie wurde installiert, um visuell zu bestätigen, dass sich der Lander Beagle 2 im Jahr 2003 erfolgreich von Mars Express getrennt hatte – danach wurde sie abgeschaltet. Einige Jahre später wurde die Kamera reaktiviert und verwendet, um Bilder vom Mars für die Öffentlichkeitsarbeit zu sammeln, blieb aber für die wissenschaftliche Forschung ungenutzt.
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"Vor kurzem wurde die VMC jedoch als Kamera für die Wissenschaft neu eingeteilt", fügt Jorge hinzu. "Obwohl sie eine niedrige räumliche Auflösung hat, verfügt sie über ein breites Sichtfeld – unerlässlich, um das Gesamtbild zu verschiedenen lokalen Tageszeiten zu sehen – und ist wunderbar geeignet, um die Entwicklung eines Merkmals sowohl über einen langen Zeitraum als auch in kleinen Zeitschritten zu verfolgen. Dadurch konnten wir die gesamte Wolke über zahlreiche Lebenszyklen hinweg untersuchen."
Das Forschungsteam kombinierte die VMC-Beobachtungen mit denen von zwei anderen Mars Express-Instrumenten – OMEGA und HRSC – und von mehreren anderen Raumfahrzeugen. Dazu gehörten die NASA-Missionen Mars Atmosphere and Volatile Evolution (MAVEN), Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) und Viking 2 sowie die Mars Orbiter Mission (MOM) der Indian Space Research Organisation. "Wir waren besonders aufgeregt, als wir uns in die Beobachtungen von Viking 2 aus den 1970er Jahren vertieft haben", sagt Jorge. "Wir fanden heraus, dass diese riesige, faszinierende Wolke bereits vor so langer Zeit teilweise abgebildet worden war – und jetzt erforschen wir sie im Detail."
Profil der Arsia Mons-Langwolke, Quelle: ESA
Die Ergebnisse zeigten, dass die Wolke während ihrer größten Ausdehnung etwa 1.800 km in der Länge und 150 km in der Breite misst. Es handelt sich um die größte jemals auf dem Mars beobachtete "orografische" Wolke, was bedeutet, dass sie sich als Ergebnis von Wind bildet, der durch topografische Merkmale (wie Berge oder Vulkane) auf der Planetenoberfläche nach oben gedrückt wird. In diesem Fall stört der Arsia Mons die Marsatmosphäre, was zur Entstehung der Wolke führt; feuchte Luft wird dann in Aufwinden an den Flanken des Vulkans nach oben getrieben und kondensiert später in höheren und weitaus kühleren Höhen.
Die Wolke durchläuft einen rasanten täglichen Zyklus, der sich über mehrere Monate hinweg jeden Morgen wiederholt. Sie beginnt vor Sonnenaufgang am Westhang des Arsia Mons zu wachsen, bevor sie sich zweieinhalb Stunden lang nach Westen ausdehnt und dabei bemerkenswert schnell – mit über 600 km/h – in einer Höhe von 45 km wächst. Dann hört sie auf sich auszudehnen, löst sich vom ursprünglichen Standort und wird von Höhenwinden noch weiter nach Westen gezogen, bevor sie am späten Vormittag verdampft, da die Lufttemperaturen mit der aufgehenden Sonne steigen.
"Viele Mars-Orbiter können diesen Teil der Oberfläche aufgrund der Eigenschaften ihrer Umlaufbahnen erst am Nachmittag beobachten, so dass dies wirklich die erste detaillierte Erkundung dieses interessanten Phänomens ist – und sie wird nicht nur durch das vielfältige Instrumentarium von Mars Express, sondern auch durch seine Umlaufbahn ermöglicht", erklärt Co-Autor Agustin Sánchez-Lavega, ebenfalls von der Universität des Baskenlandes und wissenschaftlicher Leiter des VMC.
Man nimmt an, dass kein anderes Klimasystem im Sonnensystem dem der Erde so sehr ähnelt wie das des Mars und dennoch zeigen die beiden Planeten deutliche und faszinierende Unterschiede. "Obwohl orografische Wolken auf der Erde häufig beobachtet werden, erreichen sie nicht solche enormen Längen oder zeigen eine so lebhafte Dynamik", sagt Agustin.
Neben der spannenden Nutzung des VMC haben die Forscherinnen und Forscher um Jorge und Agustin auch eine typische Herausforderung bei der Beobachtung von vorübergehenden Phänomenen auf dem Mars gemeistert. Hochauflösende Kameras wie die HRSC von Mars Express haben schmale Sichtfelder, und Beobachtungen werden immer im Voraus geplant. Daher werden meteorologische Phänomene – die in der Regel nicht vorhersehbar sind – meist zufällig eingefangen. Als die Forscherinnen und Forscher jedoch begannen, den Lebenszyklus und die jährlichen Muster dieser länglichen Wolke zu verstehen, waren sie in der Lage, dem HRSC-Team die richtige Zeit und den richtigen Ort zu nennen, um die Wolke zu erfassen.
"Diese Ergebnisse zeigen wirklich die Stärken von Mars Express – seine einzigartige Umlaufbahn, seine Langlebigkeit, seine beständige Qualität und seine Fähigkeit, sich anzupassen, während er die Geheimnisse des Mars erforscht", sagt Dmitrij Titov, Mars Express-Projektwissenschaftler der ESA.
"Der Einsatz der VMC-Kamera hat es uns ermöglicht, diese flüchtige Wolke auf eine Weise zu verstehen, die sonst nicht möglich gewesen wäre. Sie ermöglicht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Wolken zu verfolgen, Staubstürme zu überwachen, Wolken- und Staubstrukturen in der Marsatmosphäre zu untersuchen, Veränderungen in den Polkappen des Planeten zu erforschen und vieles mehr. Ihre Wiederinbetriebnahme unterstützt nicht nur das primäre Instrumentarium von Mars Express für die Erforschung des Mars, sondern verleiht der langjährigen Mission, die seit 2003 kontinuierlich mehr über den Roten Planeten enthüllt, einen neuen Wert."
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